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Diverses - Geschichten

Diverses - Geschichten

Titel: Diverses - Geschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Lenz
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jeden von ihnen nach Belieben irritieren und manipulieren konnte, bis sie sich schließlich gegenseitig in die Wolle bekamen. Es war die letzte Art von Vergnügen, die einem in diesem Leben noch gegönnt wurde.
    Aber der hier war anders. Etwas älter als der Durchschnitt, graue, beinahe weiße Haare und leuchtende blaue Augen. Irgendetwas Bekanntes schien von ihnen auszustrahlen, aber das mochte ebenso gut Einbildung sein. Sie beschloss die Probe aufs Exempel zu machen, blieb stehen, stellte den linken Fuß auf die Parkbank und nestelte aus ihrem Stiefel eine zerdrückte Packung Zigaretten hervor. Sie zog eine mit den Lippen heraus und zündete sie geübt mit dem Feuerzeug aus ihrer Jeanstasche an. Ein schräger Blick nach oben, versicherte ihr, dass der Mann nichts dagegen unternehmen würde. Also war er entweder ein Weichei, einer von diesen Psycho-Fuzzis, die auf ‘Verständnis’ und ‘Toleranz’ machten, oder es interessierte ihn nicht die Bohne. Seinem teilnahmslosen Blick zufolge, dürfte Letzteres zutreffen. Er griff in seine Hemdtasche, und Donna hob die Augenbrauen, als er Anstalten machte ihrem Beispiel zu folgen.
     
    “Schlechte Angewohnheit”, murmelte er, die Zigarette zwischen den Lippen. “Aber man braucht einen guten Grund, um aufzuhören.” Sie nickte, zu erstaunt, um etwas zu erwidern, und sah fasziniert zu, wie der Fremde einen tiefen Zug nahm, die Augen geschlossen, bis der giftige Qualm durch die Nase wieder entwich.
    “Ich hab mich noch nicht vorgestellt. Mein Name ist Tom. Ich kannte deinen Vater.”
    Erleichtert, dass er nicht versuchte ihr die Hand zu geben, nickte sie, als würde ihr der Name etwas sagen, und wartete darauf, dass er fortfuhr. Doch der Mann schien in Gedanken versunken, ihre Anwesenheit beinahe vergessen zu haben, weshalb sie es doch für nötig hielt, sich wieder in Erinnerung zu bringen.
    “Ich kannte meinen Vater nicht.”
    Tom sah sie mit einem Mal intensiv an, bis sie unter seinem Blick begann nervös zu werden und unruhig mit der Zigarette spielte.
    “Ich weiß.” Tom seufzte. “Er muss gestorben sein, noch bevor du in den Kindergarten gekommen bist.”
    “Kann sein.” Sie zuckte mit den Schultern. “Ist auch egal, meine Tante wollte nicht über ihn sprechen.”
    “Das habe ich gehört. Und auch, dass du...“, er zögerte, “hin und wieder etwas Schwierigkeiten hast.”
    “Ist ja großartig!”
    Achtlos ließ sie die Zigarette fallen, und trat sie aus, eine Bewegung, in der ihr Ärger unverhohlen zum Ausdruck kam.
    “Sie können sich den Atem sparen.” Sie drehte sich um und blickte ihm herausfordernd ins Gesicht. “Ich hab das alles schon gehört, und nur, weil Sie behaupten, meinen Vater gekannt zu haben, brauche ich Ihnen noch lange nicht zuhören.”
    Tom zog an seiner Zigarette, erwiderte ihren Blick, ohne zu antworten.
    “Was ist?” Donna verlor langsam die Geduld, verschränkte trotzig ihre Arme vor dem schmalen, kindlichen Körper, und bemühte sich, der Intensität dieser eisblauen Augen standzuhalten.
    “Oder haben Sie etwas anderes im Sinn? Glauben Sie mir, ich kenne diese alten Knacker, die nichts Besseres zu tun haben, als einem Schulmädchen hinterher zu steigen.” Trotzig streckte sie ihr Kinn vor und setzte etwas deutlicher hinzu: “Und damit das ein für allemal klar ist, ich bin nicht interessiert.”
    Der Mann unternahm immer noch keine Anstalten, etwas zu erwidern, sein Blick hielt sie unerbittlich in seinem Bann, als wollte er ihre Ausdauer prüfen. Nach einer Ewigkeit, so schien es ihr zumindest, entschloss sie sich die Situation zu beenden. Offensichtlich wusste dieser Kerl noch nicht einmal, was er überhaupt hier wollte. Sie warf ihr Haar mit einem Ruck zurück, der ihren Zorn über die verschwendete Zeit, doch keinesfalls ihre Kapitulation zum Ausdruck bringen sollte, und wandte sich zum Gehen.
    “Wenn ich dir etwas über deinen Vater erzählen könnte, wärest du daran interessiert?”
    Donna zuckte gleichgültig mit den Schultern, drehte sich jedoch nicht um. Zumindest hatte er sie nach ihrer Meinung gefragt. Das allein war bereits eine Seltenheit, der sie versucht war, Anerkennung zu zollen. Trotzdem, so schnell würde sie sich nicht weichklopfen lassen, nicht von so einem dahergelaufenen Großvater, der sich Wunder was einbildete.
    “Was sollte das bringen”, erwiderte sie patzig.
    In ihrem Rücken kehrte wieder Stille ein, und nun war sie ernsthaft versucht den Park und den Fremden, ohne sich noch einmal

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