Diverses - Geschichten
bereits zu viele Verluste erlitten hatte.
“Das wollte er, und das hätte er auch, wenn nicht... “. Tom stockte, als hätte er schon zu viel gesagt.
“Wenn nicht... was? Was ist passiert?” Donna bemühte sich, ihre Ungeduld zu bremsen.
“Es... es war eine politische Entscheidung. Die Lage damals war ausgesprochen heikel, und... offensichtlich waren mächtige Leute, Menschen mit großem Einfluss, fest entschlossen, sich keine weitere Blöße zu geben.” Er zögerte wieder.
“Politik?” fragte sie. “Politiker sind Verbrecher, das weiß man doch.”
Tom schüttelte den Kopf, konnte es aber nicht verhindern, dass seine Gesichtszüge einen belustigten Ausdruck annahmen. “Das ist wohl die Meinung deiner Tante.”
Rasch wurde er wieder ernsthaft. “Wahr ist, dass das Vertrauen der Bürger in ihre Vertreter gerade in dieser Zeit extrem erschüttert worden war. Man hatte wohl versucht zu vertuschen, soweit irgend möglich, aber die Furcht vor dem endgültigen Verlust der Kontrolle beherrschte gewisse Kreise. Und diese waren bereit, alles daranzusetzen, um die Stabilität, so, wie sie in ihrem Interesse lag, zu wahren.”
“Soll das heißen...?” Donnas Augen waren immer weiter geworden, in ihrer Mitte sprühte ein dunkler Funken. Ärger glomm auf, gewann mehr und mehr an Intensität.
Tom fing ihren Blick in seinem, kontrollierte die aufflackernden Emotionen. Er atmete tief aus, bevor er fortfuhr.
“Lass es mich so sagen: Ich habe in meinem Leben einen einzigen Politiker kennen gelernt, dem ich von ganzem Herzen vertraut habe, einen Einzigen. Und dieser ist in genau diesem Jahr erschossen worden.”
Mit Erschrecken nahm Donna wahr, dass Toms Augen mit einem Mal voller Tränen standen, und noch mehr erschütterte sie, dass sie ihrerseits die unsichtbaren Anzeichen ihrer Trauer emporsteigen fühlte. Und das, obwohl sie doch schon lange nicht mehr weinte, schon viel zu lange nicht mehr. Sie riss sich mit Gewalt zusammen.
“Sie wollen mir also allen Ernstes weismachen, eine Art Regierungsintrige habe zum Tod meines Vaters geführt. Und die Verantwortlichen können zuerst machen was sie wollen und lachen sich dann einen Ast?” Ihr Herz raste, das Blut rauschte in ihren Ohren, als sie versuchte ihre Wut unter Kontrolle zu bringen. Es schien ihr, als habe sich ein Ventil geöffnet und der jahrelang angestaute Druck wollte nun mit aller Macht entweichen.
Sie merkte erst, dass sie aufgesprungen war, als Tom ebenfalls aufstand.
“Ich habe nichts dergleichen gesagt.” Seine Stimme klang dunkel, besänftigend und zugleich bedrohlich, als er, obwohl nicht viel größer, beinahe hypnotisierend auf sie hinuntersah.
“Aber eines kann ich dir versichern.” Sie hielt seinem Blick stand, obwohl sie am liebsten davon gelaufen wäre, sich verkrochen hätte, versteckt vor dieser Stimme, vor diesen Augen, vor diesen Geschichten, mit denen sie eigentlich nicht das Geringste zu tun haben wollte, von denen sie nie gewünscht hatte, etwas zu erfahren. Aber jetzt war es zu spät, sie konnte nicht mehr davon laufen.
“Jeder, der schuld ist an am Tod deines Vaters, hat dafür bezahlt.”
Donna schluckte unsicher, starrte den Mann an, der auf den ersten Blick so unscheinbar gewirkt hatte, und der mit einem Mal eine Kälte und unerbittliche Härte ausstrahlte, die sie erzittern ließ. Auch ohne, dass er ein weiteres Wort sagte, wusste sie, dass er es sein musste, der dafür gesorgt hatte, dass er, und nur er, dazu fähig war, ohne Mitleid und ohne Skrupel. Und genauso wusste sie, er werde sie nicht gehen lassen. Ihr Leben werde eine neue Richtung einschlagen, egal, ob sie das nun wollte oder nicht, sie würde daran nichts mehr ändern können.
Im Grunde wusste sie auch nicht, ob sie etwas daran ändern wollte.
Rache
Natürlich war er auch an diesem Abend wieder hier. Halb verborgen in den Schatten, mit dem Rücken zur Wand. Die Ausgänge in Blick- und Reichweite, hielt er sich an seinem Glas fest, seine Umwelt keines Blickes würdigend, abgeschieden, getrennt von der Suche nach Leben und Zerstreuung, die meistens die Ursache für einen Besuch in diesem einsam gelegenen Etablissement war.
Er gehörte zu den Männern, die ausschließlich hier waren, um sich zu betrinken, zielgerichtet und konsequent, ohne den Wunsch mit Gleichgesinnten in Kontakt zu treten, sich von ihrem Schicksal, dem Grund für ihre Sehnsucht nach Vergessen ablenken zu lassen.
Jamal beobachtete ihn aus seinen Augenwinkeln, unauffällig, wie
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