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Diverses - Geschichten

Diverses - Geschichten

Titel: Diverses - Geschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Lenz
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umzusehen, zu verlassen.
    “Es könnte vielleicht uns beiden helfen.” Verwirrt verharrte sie einen Moment, bevor sie sich entschied ihren Plan, wenigstens vorläufig, zu ändern.
    Tom saß immer noch auf der Bank und starrte auf den Boden, in Gedanken offenbar weit entfernt. Zögernd näherte sie sich ihm.
    “Wie sollte das Ihnen helfen?” Ihr Ton war immer noch ungeduldig und fordernd, aber sie konnte nicht verhindern, dass auch eine gute Portion Neugierde mit schwang.
    Der Mann löste sich aus seiner Versunkenheit, schien die Welt, die ihn gefangen gehalten hatte, förmlich abzuschütteln, verzog seinen Mund zu einem halbseitigen Lächeln und blinzelte ihr völlig unerwartet zu.
    “Das gilt es herauszufinden, oder?”
    Er sah zu ihr auf, und sie bemühte sich, den Verdacht beiseite zu schieben, er könnte etwas von ihr erwarten. Zur Hölle, sie war nicht in der Position für irgendjemanden eine Hilfe zu sein, am wenigsten für sich selbst.
    Er betrachtete sie wieder auf diese irritierende Weise, bis sie anfing, unruhig von einem Fuß auf den anderen zu wechseln.
    “Hör zu, ich werde dich nicht mit alten Geschichten langweilen. Aber wenn du etwas wissen möchtest, werde ich immer da sein, um dir Rede und Antwort zu stehen, es ist das Mindeste, was ich tun kann. Hier und jetzt, möchte ich dir nur etwas vorschlagen, und dazu solltest du ein wenig von mir und von deinem Vater erfahren, um verstehen zu können, warum ich zu dir gekommen bin.”
    Sie nickte. “Hört sich okay für mich an.”
    “Also gut.” Er lehnte sich zurück, schlug ein Bein über das andere, aber forderte sie nicht auf neben ihm Platz zu nehmen. “Zum Glück”, dachte sie bei sich, denn nichts läge ihr im Augenblick ferner.
    “Dein Vater und ich waren Partner, für ungefähr ein Jahr. Der Job war gefährlich und wir riskierten beide unser Leben dabei.”
    Er seufzte und löste endlich seinen Blick von ihrem Gesicht. “Es endete damit, dass ich gezwungen war... “, er zögerte einen Moment. “Dass ich gezwungen war, ihm eine schwere Verletzung zuzufügen.”
    Ohne, dass es ihr bewusst wurde, öffnete sich ihr Mund in Erstaunen. Doch die ausdrucksvolle Stimme sprach unbeeindruckt weiter. “Du warst damals schon auf der Welt.” In seinen Augen blitzte eine Erinnerung auf, als sich sein Mund zu einem Lächeln verzog.
    “Meine Tochter hat für eine Weile mit euch beiden zusammengelebt, dich praktisch mit aufgezogen.”
    Ein Bild flackerte auf, undeutlich und verschwommen, vielleicht auch nur das Überbleibsel eines vor langer Zeit schon vergessenen Werbespots. Und doch schien die helle, lachende Gestalt, die wie ein Wirbelwind in Sekundenschnelle durch ihre Vorstellung fegte, real zu sein, realer als die Träume von einer glücklichen Familie, die sie durch ihre Kindheit begleitet hatten, bis ihr schmerzhaft bewusst geworden war, dass Träume ihr nicht weiterhelfen konnten.
    Toms Gesichtsausdruck spiegelte ihre Emotionen wieder, zumindest konnte sie sich dieses Eindrucks nicht erwehren, als er weiter sprach.
    “Sie hat dieses Leben nicht mehr ertragen können. Ich hatte ihr zu viel zugemutet, daran ist sie..., ist die Beziehung zu deinem Vater gescheitert.”
    Ein bitteres Lachen entfuhr ihr. Mit ihrem klaren Verstand hatte sie sofort begriffen, worum es ging.
    “Und nun fühlen Sie sich schuldig, und wollen Ihre Seele retten.” Sie schüttelte verächtlich den Kopf. “Nein, für gute Samariter Werke bin ich mir zu schade. Fallen Sie doch lieber vor ihrer Tochter auf die Knie, anstatt sich Ersatz zu suchen.”
    Wieder trat Stille ein, eine Gelegenheit, die Tom nutzte, um bedächtig seine Zigarette auszudrücken. Der Mann hatte wirklich die Ruhe weg. Wie alt mochte er sein? Hundert?
    “Du bist ganz schön clever”, stellte er fest und blinzelte. Donna konnte nicht ausmachen, ob die Bewegung das Resultat von Belustigung oder Erschütterung war.
    “Meine Tochter möchte nichts mehr mit mir zu tun haben, und ich fühle mich tatsächlich schuldig. Ich habe deinem Vater, sehr viel zu verdanken, viel mehr als mir bis vor kurzem noch klar gewesen war.”
    “Und da kommen sie jetzt darauf? Nein danke, auf so etwas kann ich verzichten.”
     
    Tom rieb sich nachdenklich die Stirn. “Ich kann es dir nicht verdenken, und ich werde mich auch nicht dafür rechtfertigen, dass ich erst jetzt nach dir sehe. Nur... “, er stockte, sein Blick wurde leer. “Ich war gewissermaßen bis vor kurzem selbst in ziemlichen Schwierigkeiten. Es hat

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