Division der Verlorenen
Schiffshülle herrschte völlige Stille.
Sten tastete sich durch die Dunkelheit zu einem Schrank und fand eine batteriebetriebene Lampe. Ein feierlich schimmerndes Licht erleuchtete das arg mitgenommene Zentraldeck.
»Alle Abteilungen – sofortiger Lagebericht.« Das war ein weiterer Vorteil eines so kleinen Schiffes wie der Gamble – Stens Ruf drang in fast sämtliche Abteilungen durch und wurde sogar sehr schnell bis zum Maschinenraum im Heck durchgegeben. Sten gurtete sich los und sprang auf die Füße. Plötzlich knarrte und polterte es, und Sten fing an zu taumeln. Das Poltern wurde lauter, und dann ging ein Zittern durch die Gamble , bevor sie sich einige Grad weiter zur Seite neigte.
Einige Mannschaftsmitglieder schlugen Alarm, dann kehrte wieder Stille ein.
»Was in drei Teufels Namen war denn das?« fragte Sten.
»Keine Ahnung«, antwortete Alex. »Aber ich glaube, nichts Gutes.«
Sten wartete noch einen Moment, doch alles blieb ruhig.
Die Gamble hatte sich offensichtlich ein für allemal zur Ruhe gelegt.
Sten machte Bestandsaufnahme.
Es stand nicht gut um sie. Einer der verwundeten Raumfahrer von der Richards war bei der Bruchlandung umgekommen. Von Stens eigener Besatzung war McCoy, der Maschinenmaat, von einem Stromschlag getötet worden, als es zu einem Kurzschluss in einer seiner Überwachungskonsolen gekommen war. Zwei weitere Männer hatten den Tod gefunden, außerdem gab es zwei Schwerverletzte. Alle anderen meldeten Beulen, Quetschungen und kleinere Knochenbrüche.
Das Schiff war hinüber. Die einzige intakte Funkverbindung bestand über die Schiffsanzüge und die winzigen Rettungskapseln; Sten hatte nicht vor, sie einzusetzen. Zunächst einmal ging er davon aus, dass die Überreste der Imperialen Streitmacht momentan anderweitig beschäftigt waren, und er legte auch keinen großen Wert darauf, die Tahn mit Hilferufen auf sich aufmerksam zu machen.
Sie mussten sich also selbst helfen.
Sten wies Kilgour an, die Notausrüstung herauszuholen, während er und Tapia, die wieder halbwegs einsetzbar war, herauszufinden versuchten, wie viel Hilfe sie überhaupt nötig hatten.
Es sah einigermaßen machbar aus. Die Hauptschleuse war völlig demoliert. Sten gelang es, die Notschleuse einen Spalt aufzuhebeln, und er fluchte laut los, als ein Schwall Eiswasser in das Schiff hereinschoß.
Wenigstens waren sie nicht eingeschlossen. Sie konnten Raumanzüge anlegen, die Verletzten in Bubblepacks einpacken und die Gamble verlassen. Danach würden sie sich in sehr kaltem Wasser befinden; das war zwar kein Problem für die Raumanzüge, doch bestand die Gefahr, dass das Wasser sehr schnell gefror.
»Also schwimmen wir raus«, sagte Sten.
»Sieht so aus, Sir.«
»Dann beeilen wir uns besser, denn außer Kilgour kann wohl keiner von uns durch einen Eiswürfel tauchen.«
Sten und Tapia fanden Kilgour in abenteuerlustiger Laune vor. Er war gerade mit der Inspektion der Notausrüstung des Schiffs fertig. Aus irgendwelchen Gründen glauben Raumfahrer nie daran, dass sie ihr Schiff wirklich einmal in einer Notsituation zurücklassen müssen. Deshalb ist die Notausrüstung meist nur unvollständig in Schuss, und hier und da fehlt es an Notwendigkeiten, die sich jemand nur mal schnell ausgeliehen hat. Die Raumfahrer der Gamble machten da keine Ausnahme.
»Darum müssen wir uns kümmern, wenn wir aufgetaucht sind«, sagte Sten. »Raus damit.«
Nachdem alle in ihren Raumanzügen und die Verletzten in den Bubblepacks steckten, wurde der Notausstieg ganz aufgedrückt. Der Raum füllte sich im Nu mit Wasser. Sten und die anderen mussten sich mit aller Kraft irgendwo festhalten. Strudel wirbelten um sie herum, dann stieg ihnen das Wasser über die Köpfe und in die nächste Ebene hinauf.
Kilgour verließ das Schiff als erster. Er trug einen der beiden Brennschneider aus der kleinen Werkstatt der Gamble . Er stellte ihn auf höchste Leistung, richtete ihn nach oben und schaltete die Raketen seines Anzugs ein. Langsam trieb er durch das bereits krümelige Eiswasser nach oben; der See rings um die Gamble gefror rasch wieder. Von Kilgours Anzug reichte eine lange Schnur zu den anderen Besatzungsmitgliedern hinab.
Sten war der letzte, der das Schiff verließ. Einen Augenblick verharrte er noch in dem dunklen Wasser vor der Luke. Das war also das Ende seines ersten Kommandos. Jedenfalls haben wir uns wacker geschlagen, was, altes Mädchen?‹ dachte er.
Die Schnur straffte sich, und Sten wurde1 nach oben gezogen.
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