Division der Verlorenen
zur Front brachten.
Das einzige Problem konnten jetzt noch die Polizeikontrollen direkt hinter der Front darstellen; dort wurden allerdings eher die Fahrerlaubnis und die Kennkarten derjenigen überprüft, die sich vom Kampf geschehen entfernten, und nicht derjenigen, die es hin zum Kanonendonner zog.
Dann hatten sie sogar noch mehr Glück. Sten wurde von einer Straßenpatrouille herabgewinkt, da ein vorrangiger Konvoi von Schwertransportern vorüberrauschte. Der Konvoi hielt sehr schlampig Abstand, mitunter waren es mehrere hundert Meter zwischen den einzelnen Gleitern. Sten fiel es nicht schwer, sich am Ende des Konvois einfach einzureihen, und ebenso leicht, sich in eine Seitenstraße zu verdrücken, sobald sie die Außenbezirke der Stadt erreichten.
Der Verteidigungsring der Imperialen Streitkräfte war kläglich zusammengeschrumpft. Die Tahn, die den Verteidigern zahlenmäßig um ein Vielfaches überlegen waren, zogen den Ring immer enger. Sten gelang es, drei Straßenpatrouillen der Tahn auszuweichen, bis er entschied, dass sie ihr Glück genug strapaziert hatten.
Zwei Kilometer von der Front entfernt stellte Sten den Kampfgleiter im dritten Stockwerk eines zerschossenen Gebäudes ab und versuchte, taktisch zu denken. Von hier an wurde die Gefahr ständig größer; die Tahn hielten nach Spähtrupps hinter den eigenen Linien Ausschau, und das Niemandsland zwischen den kämpfenden Parteien war sogar noch gefährlicher.
Zusätzlich liefen sie Gefahr, von den eigenen Truppen beschossen zu werden; Sten hatte keine Ahnung, welche Parole oder welches Signal aktuell war.
Die Antwort auf alle ihre Fragen stellte der weißuniformierte Sicherheitswachmann dar.
›Weiße Uniformen?‹ wunderte sich Sten. ›Mitten im Kampfgebiet?‹
»Da vorne macht sich hohes Lametta für eine Zeremonie bereit«, stellte Kilgour fest, als er das Fernglas absetzte. »Können wir uns das nicht zunutze machen?«
»Du suchst nur nach einem Vorwand, das nächste Team niederzumachen, Kilgour.«
»Stimmt. Aber ist das nicht mutig?«
Doch, es war mutig.
Wieder sondierten Sten und Alex die Situation, bewegten sich von Dach zu Dach, bis sie den Sicherheitsmann in Sichtweite vor sich hatten. Auf der anderen Seite der ehemaligen Straße, die jetzt nur mehr ein etwas weniger mit Schutt und Trümmern übersätes Ruinengebiet war, stand ein zweiter Posten.
Hinter den beiden Militärpolizisten befanden sich zwei Stellungen mit Schnellfeuerkanonen. Etwas weiter hinten standen Panzer und Raketenwerfer um einen Haufen weiterer Kettenfahrzeuge herum. Letztere waren offensichtlich die Kommandofahrzeuge – von ihnen gingen mehr Antennenfühler aus als von einem Nest junger Garnelen. Das war der Befehlsstand der Panzerbrigade, die die Tahn-Landungstruppen unterstützte. Er befand sich direkt zwischen Sten und den Imperialen Linien.
»Hast du Lust auf eine zweite Runde gegen die Wachen?«
Natürlich hatten sie.
Weniger erfahrene – oder weniger zynische – Soldaten hätten vielleicht versucht, den Befehlsstand zu umgehen. Für Sten und Alex war er jedoch ein gefundenes Fressen.
Sowohl durch eigene Beobachtungen als auch durch die Ausbildung bei Mantis wussten sie: Hauptquartier-Einheiten unterlagen massiven Sicherheitsvorkehrungen. Die Sicherheitskräfte waren ursprünglich vielleicht aufgrund ihrer Effizienz ausgewählt worden, doch sie verwandelten sich unweigerlich in herausgeputzte Schreibtischhengste. Sie wurden höchstwahrscheinlich von ehrgeizigen jungen Offizieren oder solchen mit guten Beziehungen kommandiert. Ihre Einheiten durchliefen langsam und fast unmerklich einen Wandel von kampforientiert zu paradeorientiert.
Die Soldaten einer solchen Einheit wurden befördert, weil ihre Stiefel so tadellos glänzten und ihre Knöpfe so herrlich poliert waren. Nach all den Stunden Putzdrill verspürte ein solcher Mann einen verständlichen Widerwillen dagegen, durch Staub und Dreck zu waten, bloß weil er ein verdächtiges Geräusch gehört hatte.
Schließlich war auch der Faktor der Arroganz nicht zu unterschätzen: wer würde es schon wagen, die Allerobersten anzugreifen?
Sten und Alex waren sich darin einig, dass man diese Arroganz ausnutzen musste.
Touristen können sich an Wachablösungen nicht satt sehen. Derartige Vorführungen fanden stets vor Palästen, mit Paradeuniformen, mit viel Brimborium und Massen von Soldaten, zu vorgegebenen Zeiten und mit reichlich klirrenden Waffen statt – vorzugsweise verchromt und antik. Ein
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