Division der Verlorenen
Türklappen. Und wieder. Es war der Wind.
Im Entengang krochen sie auf die Leichen zu. Kilgour rümpfte die Nase.
»Drei, vielleicht vier Tage schon«, sägte er. »Ich frage mich nur, ob ihnen eine faire Verhandlung gewährt wurde.«
Die Menschen waren nicht im Kampf getötet worden. Männern wie Frauen hatte man die Hände auf dem Rücken mit Draht zusammengebunden.
Sten rollte einen Leichnam auf den Rücken. Um den aufgedunsenen Hals des Toten zog sich ein goldener Schimmer. Sten zog das Schimmern mit dem Lauf der Waffe hervor. Es handelte sich um eine Halskette.
»Das waren Tahn«, sagte er. »So wie sie angezogen sind, müssen es Siedler gewesen sein.«
»Wer sie wohl abgeschlachtet hat?«
Sten zuckte die Achseln. »Imperiale Banden? Tahn-Truppen? Spielt das überhaupt eine Rolle?«
»Nur meine morbide Neugier, Commander. Kümmern wir uns um das Haus.«
Sie führten die anderen in den Hof. Einige der Raumfahrer mussten sich übergeben, als sie die Leichen erblickten. ›Gewöhnt euch dran, Leute‹, dachte Sten. ›Ab jetzt kämpfen wir unseren Krieg nicht mehr auf große Entfernung.‹
Er, Tapia und Kilgour durchsuchten das Hauptgebäude. Es sah aus, als wäre es hochgehoben, auf den Kopf gestellt, gut durchgeschüttelt und dann wieder auf seine Grundmauern gestellt worden. Alles, was man kaputtmachen konnte, war kaputt.
»Ich hab da ’ne Theorie. Es waren nicht die Imperialen, die mussten sich vor vier Tagen schon längst nach Cavite-City zurückziehen. Tahn-Soldaten wiederum hätten sich nicht soviel Zeit genommen, alles so gründlich zu durchsuchen.« Während er sprach, stopfte er noch versiegelte Rationspäckchen in seine Plastiktüte. »Meiner Theorie nach«, fuhr er fort, »wollten diese Siedler hier noch vor dem Krieg abhauen. Das sahen die anderen Tahn nicht gerne. Als die Tahn landeten, haben ihre Farmerkollegen die Rechnung beglichen, und …«
Kilgour hielt inne und hob eine kleine Flasche auf, die neben ein Schränkchen gerollt war. Er warf sie Sten zu.
Sten warf einen Blick auf das Etikett: »Mahoney Apfelschnaps & Dünger. Gutes Obst und mehr seit 130 Jahren.«
»Wir gehen in den Fußstapfen des Meisters«, sagte Alex in gespielter Andacht.
Tapia verstand überhaupt nicht, wie ihre beiden Vorgesetzten inmitten dieser Todeslandschaft laut loslachen konnten.
Ab jetzt marschierten sie nur noch nachts.
Und sie bewegten sich sehr langsam voran; nicht nur aus Vorsicht, sondern aufgrund der Unerfahrenheit der Raumfahrer. Vor lauter Anstrengung, nicht vor Wut zu explodieren, hatte Sten ständig seinen Gebissabdruck auf der Zunge.
Diese Soldaten waren keine Mantis-Spezialisten. Es waren keine Gardisten. Herrje, es waren noch nicht einmal Infanterierekruten. Halt die Klappe, Commander, und hör auf, Supersoldaten in ihnen zu sehen. Wenn sie jedoch weiterhin so langsam vorankamen, war der Krieg vorbei, bis sie Cavite-City erreichten. Na und? Hast du es etwa besonders eilig, in die belagerte Stadt zu kommen und getötet zu werden, Commander? Also halt die Klappe und beweg dich.
In der vierten Nacht stolperte Contreras in Frehdas Farm hinein; buchstäblich, denn sie verhedderte sich in einem zusammengerollten Stück Rasierklingendraht. Glücklicherweise bewahrte sie ihr Overall vor allzu schlimmen Schnittwunden. Die anderen befreiten sie, zogen sie hinter einen Strauch in Deckung und beratschlagten.
Wieder gingen Sten und Alex voran, schlichen sich unbemerkt durch mehrere Reihen Draht und Sensoren. Dann lagen sie auf der Anhöhe, blickten auf die Baracken hinunter und diskutierten die Sachlage mittels der Zeichensprache, die Mantis eigens für derartige Situationen entwickelt hatte. Sie war ziemlich einfach. Ausgestreckte Finger bedeuteten zum Beispiel: »Was ist das?« Zwei Finger bildeten ein T – Tahn. Finger auf die Rangabzeichen – Militär? Kopfschütteln. Es war ziemlich offensichtlich: Tahn-Soldaten hätten ausgeklügeltere Sicherheitsmaßnahmen getroffen und wahrscheinlich kein Licht angelassen.
Sten deutete auf die von Flutlicht beleuchteten Baracken hinab und signalisierte eine komplette Frage: »Was haben dann all diese Typen mit Gewehren und A-Grav-Gleitern da zu suchen?« Dabei fiel ihm die Antwort selbst ein: es handelte sich um eine Siedlung revolutionärer Tahn.
Mit ziemlicher Sicherheit hielten sich einige Tahn-Truppen dort unten auf. Wahrscheinlich setzten die Tahn diese Revolutionäre als Sicherheitstruppe hinter den Linien ein, als eine Art Polizei und
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