Division der Verlorenen
Luftverkehr auf der Erstwelt wurde überwacht, und jede Abweichung vom Flugplan versetzte die Luftabwehreinrichtungen des Palasts in Alarmbereitschaft. Das Eindringen in den Luftraum des Schlosses wurde nur einmal elektronisch angemahnt, dann wurde das Feuer eröffnet. Ebenso unmöglich war es, den Palast auf dem Landweg anzugreifen; die einzige Verbindung zwischen Arundel und der nächsten Stadt, Fowler, war die unterirdische Hochgeschwindigkeits-Pneumobahn.
Ausgenommen am Empire Day …
Am Empire Day wurden riesige A-Grav-Plattformen und Gleiter eingesetzt, um die Touristen von Fowler zum Palast zu bringen. Die Sicherheitsvorkehrungen waren minimal, obwohl alle Besucher selbstverständlich peinlichst genau durchsucht wurden. Den Gleitern und Plattformen selbst war eine festgesetzte Zeit und Flugroute eingegeben; außerdem waren sie zusätzlich mit einer IFF-Box zur Freund/Feind-Identifikation ausgerüstet, die wiederum mit der Luftsicherheitsabteilung des Palastes in Verbindung stand.
All diese Vorkehrungen ließen sich lächerlich leicht umgehen.
So eigenartig es klingen mochte, dass die Tahn es als unehrenhaft empfunden hätten, den Imperator nicht anzugreifen, so bereitete es ihnen andererseits keine Schwierigkeiten, die Drecksarbeit von einem Handlanger erledigen zu lassen. Der Begriff der »Ehre« wird in einer militaristischen Gesellschaft oft eher nach Rabelais ausgelegt: »Das einzige Gesetz bestehe darin, zu tun, was dir gefällt.«
Drei hochmotivierte Tahn-Immigranten – Revolutionäre aus Godfrey Alains Randwelt-Bewegung – waren eigens für diese Aufgabe auserwählt und vom Geheimdienst der Tahn bereits vor zwei Jahren eingeschleust worden. Einer hatte den Auftrag erhalten, einen minderen Job in Soward, Fowlers Raumhafen, anzunehmen. Der zweite fand eine Anstellung als Barkeeper. Der dritte wurde von den Eigentümern eines jener luxuriösen Anwesen, die rings um das weitläufige Palastareal lagen, als Gärtner angestellt. Der Immigrant war ein hervorragender Gärtner; der Handelsfürst, in dessen Diensten er stand, beteuerte, noch nie zuvor einen so tüchtigen und gewissenhaften Angestellten gehabt zu haben.
Der entscheidende Schlag sollte durch eine eigens für diesen Zweck konstruierte Rakete erfolgen. Die Tahn nahmen zu recht an, dass Arundel mit einem Schutzschild gegen Atomwaffen ausgerüstet war, so dass eine aus gegebenen Gründen hinsichtlich Größe und Wirkung eingeschränkte Atombombe keine vollständige Zerstörung garantieren konnte. Die betreffende Rakete sah recht merkwürdig aus. Sie war ungefähr zehn Meter lang und so ausgelegt, dass sie ein ganz besonderes Sensorprofil entwickelte, ein Profil, das einem wesentlich größeren A-Grav-Gleiter entsprach.
Im Innern der Rakete saßen zwei Atomsprengköpfe. Die Tahn-Wissenschaftler hatten herausgefunden, wie man den uralten Richtungssprengeffekt – den Munro-Effekt – auch bei Atombomben nutzen konnte. Als Mantel und Kopf benutzten sie Imperium, die Hülle, mit der normalerweise Antimaterie Zwei, die wichtigste Energiequelle des Imperiums, abgeschirmt wurde. Hinter dem ersten Sprengkopf saß der Steuerungsmechanismus, dahinter die zweite Ladung. Die Rakete lief sehr spitz zu, und das weniger aus aerodynamischen Gründen als aus Gründen der Sprengrichtung.
Abgesehen vom Steuerungssystem enthielt die Rakete auch das Duplikat einer IFF-Box, wie sie die A-Grav-Gleiter am Empire Day benutzten.
Die Rakete war bereits einige Monate zuvor in drei Teile zerlegt auf die Erstwelt geschmuggelt, zu einem gepachteten Lagerhaus gebracht und von Tahn-Wissenschaftlern zusammengebaut sowie auf ihre Abschussrampe montiert worden.
Die drei Tahn aus den Randwelten wurden nicht einmal über den Standort der Rakete informiert, sondern erhielten lediglich den Befehl, sich zu einer bestimmten Zeit mit bestimmter Ausrüstung an einem bestimmten Ort einzufinden.
Zwei Tage vor dem Empire Day installierte der Tahn, der auf dem Raumflughafen Soward arbeitete, ein kleines, mit einem Timer ausgerüstetes Gerät am McLean-Generator eines präparierten A-Grav-Gleiters.
Einen Tag vor dem Empire Day bestieg der Führungsagent der drei Männer ein Linienschiff, das ihn von dem Planeten wegbrachte, und war somit verschwunden.
Am Empire Day waren die drei Männer pünktlich um 11 Uhr auf ihren Posten.
Der Gärtner saß im Fahrersitz eines A-Grav-Gleiters seines Arbeitgebers. Niemandem im Haus fiel das auf; dafür hatten zwei Kanister binären Blutgases
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