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DJ Westradio

DJ Westradio

Titel: DJ Westradio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha Lange
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sie auf ihren Konzerten verkauften, waren sogar BASF-Kassetten. Ostberlin war eben noch mal eine andere Liga als die Messestadt Leipzig. Den Platz an der Spitze mußte sich »Die Vision« noch mit »Sandow« aus Cottbus teilen, deren Song »Born in GDR« geradezu zur Hymne des »Ost-Underground« avancierte.
    Die »anderen Bands« machten mir schlagartig klar, daß man nicht nur die westlichen Stars auf den Postern anhimmeln sollte, sondern daß man auch mal versuchen konnte, selbst Musik zu machen. Nachdem ich als Kind immer Bäcker werden wollte, glaubte ich ja seit der 4. Klasse, der geborene Musiker zu sein, ohne daß ich dieser Berufung gefolgt wäre. Mein späterer Versuch, Klavier zu lernen, verebbte nach einiger Zeit wieder aufgrund der fehlenden Motivation zu üben.
    Die ersten Versuche in dieser Richtung ähnelten denen einer Boy-Band. Das bedeutete, daß wir weder Songs schrieben noch Instrumente spielen konnten. Was wir machten, war ein schönes kleines Schwarzweißposter. Zu unserer »Band«, die wir 1987 gründeten, gehörten die Götzens-Zwillinge, Nauni und ich. Wir machten ein schickes Foto von uns vieren auf einem Simson-Motorroller, auf das ich in eine Ecke den BRAVO-Schriftzug klebte. Drunter kam noch unser Bandname: »The Dessous«. Mit dieser Vorlage ging ich während der Leipziger Messe an den Stand einer Westfirma, die Kopierer ausstellte. Manchmal kopierten sie mitgebrachte BRAVO-Seiten ab, waren jedoch des Ansturms wegen schon ganz schön genervt. Als ich der Standhilfe trotzdem meine Vorlage zeigte, brach sie in schallendes Gelächter aus und kopierte mir gleich 20 Stück davon in A4-Größe. Diese verteilten wir dannim Bekanntenkreis. Man erzählte sich später, daß es einige von unseren Postern wirklich bis an die Zimmerwände einiger Mädchen im Leipziger Süden geschafft hatten. Nun wußten wir, es war offenbar gar nicht so schwer, Popstar zu werden.
    Nachdem »The Dessous« es nur zu einem Poster gebracht hatten, unternahm ich, angespornt durch zahllose Konzertbesuche, Anfang 1989 einen neuen Anlauf. In der Kirche, wo ich noch immer zur Jungen Gemeinde ging, schlummerten seit geraumer Zeit in einem Abstellraum die Instrumente einer aufgelösten Kirchen-Band. Diese küßten wir wieder wach und bekamen die Erlaubnis, im Gemeindehaus zu proben. Ich selbst hatte mir in grenzenloser Selbstüberschätzung den Part des Sängers zugedacht. Fehlten nur noch Musiker. Da fiel mir Ärzte-Fan Matthias aus meiner Lehre ein. Ich wußte, daß er mal Gitarrenunterricht bekommen hatte, und er sagte natürlich sofort zu. Auch Rüdi aus unserer Clique hatte ich schon mal mit einer Gitarre gesehen. Das war vor vielen Jahren bei einem Elternabend gewesen, als unsere Klasse ein Kulturprogramm aufführte und Rüdi ein Lied vorspielen mußte. Ich rief ihn an, ob er Interesse an einer Band und einer Baßgitarre habe, und er war begeistert. Für das Schlagzeug fanden wir ein Mädchen aus unserer Clique, nämlich Geertje, die seit einiger Zeit Unterricht nahm.
    Schon unsere erste Probe fanden wir total spitze. Fortan nannten wir uns »Parole Emil«. Keine zwei Wochen später hatte ich schon unser erstes Band-Shirt gemalt, kurze Zeit darauf die ersten Band-Plaketten gebastelt. Meine Madonna-Anstecker nahm ich vorsichtig auseinander und setzte statt ihrem sexy Bild unserenBandnamen ein. Im Frühsommer reiste Geertje traurigerweise mit ihren Eltern für immer nach Hamburg aus. Zum Glück fanden wir schnell Ersatz: Enny war ein alter Schulkumpel der Götzens-Zwillinge und ein junger Gott auf seinem Schlagzeug, das er sich vom Sperrmüll zusammengetragen hatte. Musikalisch brachten wir es auf den typischen Drei-Akkorde-Schülerpunk, aber wir fanden uns großartig. Das war wie Verliebtsein. Man wachte auf und freute sich auf alles, was der Tag bringen mochte, denn man wußte: »Ich spiele in einer Band mit.« Es gab nichts Cooleres. Matthias verpaßte sich kurze Zeit später einen schicken Iro-Haarschnitt und einen punkigen Spitznamen: Schabe.
    Von unserem ersten Auftritt Mitte September bei einem Junge-Gemeinde-Tag in unserer Kirche machten wir gleich einen Live-Mitschnitt, den wir dann auf Kassetten vervielfältigten. Das Cover kopierten wir bei der Arbeitsstelle meiner Mutter, wo seit einigen Monaten einer der immer noch wahnsinnig seltenen Kopierer stand. Jede junge Band im Osten, die damals etwas auf sich hielt, machte ein Tape. Nun hatten auch wir eins – wie geil. In Ermangelung neuer Kassetten überspielten

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