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DJ Westradio

DJ Westradio

Titel: DJ Westradio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha Lange
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Büro mit den beiden Typen. Im Hintergrund die obligatorischen DDR-Fahnen und eine Tischreihe, an der die Musterungskommission saß. Blümchentapete. Uniformierte und Uniformierte in Zivil. Der Vorsitzende gab mir mitgelangweiltem Gesichtsausdruck (zu meinem größten Bedauern) bekannt, daß ich wehrfähig sei. UND? Dann fragte er sogleich, ob ich nicht auch bereit wäre, drei Jahre zur Armee zu gehen.
    Ignorierte der etwa meine soeben im Nachbarzimmer abgegebene Erklärung? Ich war verunsichert, spulte aber ganz tapfer meinen Text ab: »Nein, ich möchte mich nicht für drei Jahre verpflichten, weil ich aufgrund meiner christlichen Weltanschauung meinen Dienst in der NVA bei den Baueinheiten ableisten werde.« Verstörte Blicke. »Ja, sind Sie denn nicht der Andreas Neumann?« – »Nein, ich bin der Alexander Lange.« Kurzes Rascheln in den Akten, bis meine Unterlagen wieder auftauchten. Der Offizier schaute kurz auf die Papiere: »Gut, geht in Ordnung. Auf Wiedersehen.«
    Was, das war’s schon? Keine Agitation? Kein Kreuzverhör? Ich verabschiedete mich hastig und verließ den Raum, bevor die es sich noch mal anders überlegten. Draußen holte ich mir bei dem Schalter wieder meinen Ausweis zusammen mit meinem nagelneuen Wehrpaß ab. Die Blechmarke war auch schon mit dabei, falls es doch noch mal ernst werden sollte. Sehr komisches Gefühl. Aber immerhin hatten die drinnen keinen Streß gemacht wegen der Bausoldatengeschichte. Sicherlich waren sie des Diskutierens müde. Generationen redegewandter Theologiestudenten und anderer Überzeugungschristen hatten mir den Weg geebnet. Darum war ich jetzt schon ein wenig erleichtert. Außerdem wußte ich, daß sie die Bausoldaten gerne erst mit Mitte Zwanzig einberiefen, weil sie dann oftmals schon Familien hatten und man sie so besser ärgern konnte. So hatte ich ja noch einige Jahre Schonfrist vor mir.
    Thümi war zwei Stunden nach mir am selben Ort zur Musterung bestellt. Seine Bekanntgabe, daß er zu den Bausoldaten wolle, kam nicht so gut bei der Musterungskommission an, weil er vergaß, den Christen-Joker auszuspielen, wie ich es gemacht hatte. Sie glaubten, ihn noch umstimmen zu können. So mußte er ein endloses Kreuzverhör über sich ergehen lassen, welches er dann auf seine typische Art beendete: »Also, mir wird das hier alles zuviel, ich gehe jetzt erst mal eine rauchen.« Danach ergaben sie sich. Diese Schlacht hatte Thümi ganz alleine gewonnen.
    Während wir also auf unsere Einberufung noch einige Jahre warten durften, wurde uns diese Zeit an unserer Berufsschule mit der »Vormilitärischen Ausbildung« verkürzt, ähnlich wie in der 9. Klasse. Die Teilnahme an der VMA war sogar Bestandteil des Lehrvertrages. Dazu mußten wir zu Beginn unserer Lehrzeit alle in die »Gesellschaft für Sport und Technik« eintreten, die Freizeit-Nachwuchsschmiede für die NVA und andere »bewaffnete Organe« der DDR. Das wollte ich eigentlich überhaupt nicht, aber auf meine Nachfrage, ob es denn wirklich sein müsse, erklärte uns der Berufschullehrer, daß wir sonst bei der Vormilitärischen Ausbildung nicht versichert wären, wenn mal ein Unfall passieren würde. Wer konnte solchen Argumenten schon etwas entgegensetzen? So wurde also auch ich GST-Mitglied, obwohl ich absolut kein Interesse an Sport und Technik hatte. Die einzige Technik, die mich interessierte, war mein Sharp-Kassettenrekorder. Aber solches Wissen, wie man Kassetten mit Musik westlicher Bands überspielte, wurde bei der GST leider nicht vermittelt.
    Glücklicherweise blieb mir auch diesmal das Wehrlager erspart. Unsere gesamte VMA fand an unserer Berufsschule in Schkeuditz statt. Zu diesem Zwecke gingen eines Morgens alle Berufsschulklassen ins nahe gelegene Kino. Unser Direktor hielt eine salbungsvolle Rede. Er erklärte uns im besten sächsischen Dialekt, daß wir in dieser Woche keine Lehrlinge seien, sondern »Kameraden«, so wie bei der Nationalen Volksarmee. Anschließend schauten wir uns einen Propagandafilm unserer NVA an. Ich bekam davon nicht viel mit, weil mir »Kamerad« Till die Texte einer Ton-Steine-Scherben-Platte aus den 70er Jahren vortrug, wo es um besetzte Häuser und Bonzenschweine in Westberlin ging. In einem Song hieß es: »Wir müssen hier raus! Das ist die Hölle!« Welch passender Soundtrack für unsere VMA-Woche. Ich überspielte mir die Kassette gleich am nächsten Tag.
    Nach dem Film bekamen alle Lehrlinge und Lehrer in unserer Berufsschule eine graugrüne GST-Uniform. Sah

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