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Djihad Paradise: Roman (German Edition)

Djihad Paradise: Roman (German Edition)

Titel: Djihad Paradise: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kuschnarowa
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riesigen Ozean in der Ferne an meiner Zelle vorbeitrieben. Ich sah sie durch mein kleines vergittertes Fenster, das zum Hof hinausging, wenn sie zur Arbeit gingen und zurückkamen, wenn sie ihre Stunde im Freien verbrachten oder wenn sie zum Gottesdienst gingen oder zum Arzt. Je länger mein Aufenthalt dauerte, desto intensiver beobachtete ich sie, und sie, sie wussten vermutlich noch nicht einmal, dass es mich überhaupt gab.
    Nach zwei Monaten sehnte ich mich fast danach, endlich verurteilt zu werden, nur damit ich langsam wieder unter Menschen kam. Tag für Tag harrte ich darauf, dass ich zur Vernehmung oder zum Arzt ausgeführt wurde. Nur damit ich mal mit jemandem reden konnte. Mein normales Leben löste sich langsam, ganz langsam, Stückchen für Stückchen auf. Wahrscheinlich war meine Wohnung längst gekündigt und Romea hatte mich verlassen. Hoffentlich hatte sie das. Ich wünschte es mir so dringend, dass sie mich verlassen hatte und gleichzeitig fürchtete ich nichts mehr, als dass sie es getan hatte, und ich hasste rein prophylaktisch alles, was männlich und nun möglicherweise mit ihr, mit meinem Seeungeheuer, zusammen war.
    Es wurde zur Obsession. Nach und nach wurde es das. Und ich konnte irgendwann gar nichts anderes mehr denken. Vielleicht hatte es sogar was Gutes. Ohne meinen Wahn hätte ich mich höchstwahrscheinlich zu Tode gelangweilt. Als U-Häftling durfte ich nicht arbeiten. Zwar hätte ich eine Glotze aufstellen dürfen, aber ich hatte gar keine. Aus lauter Verzweiflung wühlte ich mich durch die Knastbib und begann, wie ein Irrer zu lesen.
    Nur mit anderen Untersuchungsgefangenen kam ich gelegentlich in Kontakt und einer von ihnen erzählte mir, dass wir auch in den Gottesdienst gehen konnten. Was, zur Hölle, sollte ich denn bitte schön im Gottesdienst? Ich war so gut wie nie in die Kirche gegangen. Vielleicht als Kind ab und zu. Weihnachten und Ostern. Mit Mutsch. Ich glaubte ja noch nicht mal an irgend so was wie Gott. Wie sollte man auch an einen guten Gott glauben, wenn die eigene Mutter mit dem Teufel höchstselbst durchgebrannt war, der Vater in einer dunklen und kalten Wohnung einen schwarzen Bildschirm anstarrte und man selbst alles, wirklich alles, das zu nah an einem dran war, in Scheiße verwandelte? In diesem Sinn: Fuck you, god!
    Ich weiß gar nicht mehr, wie ich die Zeit bis zur Verhandlung im Einzelnen herumgebracht habe. Irgendwann hatte mir einer der anderen U-Häftlinge beim Freigang im Hof gesteckt, dass ich einen Antrag auf Besuchserlaubnis stellen konnte. Schriftlich. Dann könnte ich alle vierzehn Tage eine halbe Stunde mit jemandem von draußen reden. Zuerst war ich ganz aufgeregt und hatte mich wie ein Irrer über diese Information gefreut, doch je länger ich die Beantragung vor mir herschob, desto weniger wollte ich sie haben. Wer sollte mich schon besuchen? Mutsch? Damit sie mit eigenen Augen sehen konnte, dass ihre Prophezeiung tatsächlich eingetreten war?
    Tom? Tom könnte sich ja noch nicht mal die Fahrkarte bis hier raus leisten. Außerdem verließ er die Wohnung ohnehin nur äußerst widerwillig und dann auch nur, wenn er Bier und Schnaps brauchte.
    Romea? Verdammt, Romea wollte ich wirklich sehen. Unglaublich, wie sehr man einen Menschen vermissen konnte, den man gerade mal ein gutes halbes Jahr kannte. Aber ich wollte, dass ich Romea nicht sehen wollte, und ich wollte, dass sie mich nicht mehr sehen wollte. Nein, das ist alles gelogen. Das Einzige, was ich wirklich wollte, war, sie zu sehen. Zu berühren. Mich mit ihr in allen schlingpflanzengrünen Gewässern zu verwirbeln, von mir aus auch ein bekloppter Fischmann zu werden. Aber das Allerbeste wäre, einfach mit ihr abzuhauen und diesmal ohne dass ich es wieder so fett vermasselte. Und dass ich das alles wollte, bewies, dass ich ein egomanisches Arschloch war und nicht der Gentleman, der sich diskret entfernt, bevor er andere in seine Scheiße mit hineinzieht.
    Und weil ich im Falle Romeas doch lieber Gentleman war, zerriss ich das Besuchsformular und versuchte stattdessen, Romea aus dem Kopf zu zeichnen, denn das Handy hatten sie mir ja abgenommen. Tag für Tag für Tag kritzelte ich stundenlang auf jedem Stück Papier, dessen ich habhaft werden konnte und hoffte, dass das, was ich da erzeugte, irgendwie wie Romea aussehen würde. Und Abend für Abend für Abend warf ich meine Werke in den Mülleimer, nur um am nächsten Tag aufs Neue mit meinen Kritzeleien weiterzumachen.
    Immerhin – meine

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