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Djihad Paradise: Roman (German Edition)

Djihad Paradise: Roman (German Edition)

Titel: Djihad Paradise: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kuschnarowa
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werdet ihr mir büßen!, dachte ich. Auge um Auge, Zahn um Zahn …«
    Ich fragte mich, warum er nicht weitersprach. »Und dann?« Ich wollte wirklich wissen, was dieser seltsame, aber sympathische Kerl hier suchte.
    »Und dann dachte ich, die Islamisten, die handeln wenigstens. Ich teile nicht alles, was sie denken, aber auf jeden Fall glauben auch sie an einen Gott und wenigstens tun sie etwas, jedenfalls die Radikaleren, um ihr Ziel zu erreichen. Also habe ich meinen Verwandten Geld gestohlen. Viel Geld. Und dann habe ich einen falschen Pass gekauft, laut dem ich schon achtzehn bin, eigentlich bin ich ja erst sechzehn, und habe zwei ägyptische Grenzer bestochen, damit sie mich rüberlassen. Noch zu Hause hatte ich im Internet recherchiert und war auf diese Schule gestoßen. Ich wollte kämpfen lernen. Mit in den Djihad ziehen. Aber nicht in erster Linie für Allah, sondern für meine Familie. Aus Rache. Damit ich meine Familie rächen kann.«
    Dass man hier kämpfen lernen konnte, wusste ich gar nicht. Nicht dass ich gerne gekämpft hätte, aber ich fragte trotzdem: »Hier kann man kämpfen lernen?«
    »Nicht direkt hier, aber wenn du in den Djihad ziehen willst, findest du hier die Leute, die dich vermitteln. Aber es wird keiner gezwungen.« Und nach einer längeren Pause fügte er hinzu: »Streng genommen musst du nur Omar fragen.«
    »Und du? Du willst das wirklich machen?«
    »Was?«, fragte er erstaunt.
    »Na, in den Djihad ziehen.«
    »Nein. Ich hatte nur gedacht, dass ich es will. Jetzt bin ich nicht mehr wütend genug. Und ich glaube auch nicht mehr, dass es richtig ist. Es muss doch andere Lösungen geben.«
    »Echt. Ich versteh dich nicht. Hasst du jetzt die Juden oder nicht?«
    »Nein. Nicht mehr. Es wird ja auf allen Seiten gestorben. Wer hat angefangen? Darauf gibt es keine Antwort.«
    Ich verstand ihn nicht.
    »Und was hält dich dann hier?«
    »Ich weiß nicht. Ich glaube, es ist die Gemeinschaft. Wo soll ich auch hin? In Gaza brauche ich mich nicht mehr blicken zu lassen. Und ist es nicht egal, ob er Gott, Jahwe oder Allah heißt?«
    Ich wollte schon protestieren, dass Jahwe und Gott viel schwächer wären als Allah, der Allmächtige, denn es gibt keinen Gott außer Allah, aber dann biss ich mir auf die Zunge, weil ich plötzlich den Gedanken zuließ, dass es vielleicht tatsächlich nur verschiedene Namen waren und das, was hinter diesen Namen steckte, möglicherweise wirklich dasselbe war.
    »Irgendwie hab ich diesen Konflikt noch nie so richtig verstanden.«
    Samir zuckte mit den Schultern. »Das alles ist auch echt ziemlich verzwickt. Die Araber haben das Land nach dem letzten Weltkrieg zugesprochen bekommen und dann haben es die Israelis annektiert, irgendwann durften die Palästinenser das Gebiet wieder selbst verwalten, aber radikale jüdische Siedler haben sich dann dort breitgemacht und die Palis kamen dadurch weder zum Strand noch zu einem Teil ihrer Felder. Und seitdem gibt es dieses ewige Hin und Her. Und nichts als Gewalt und Hass und Krieg und Tote. Aber wenn du es genau wissen willst, ich such dir was raus«, zwinkerte mir Samir zu. Damit begab er sich an den Computer, der zur allgemeinen Benutzung im Wohnzimmer stand. Er tippte ein wenig herum.
    Schüsse. Panik. Geschrei. Samir saß auf einmal wie erstarrt vor dem Rechner und begann plötzlich, sich ruckartig vor und zurück zu bewegen. Immer und immer wieder. Ich sprang auf und lief zu ihm.
    »Samir! Hey, Samir! Verdammt, was ist mit dir?« Ich tätschelte ihm die Wange, aber Samir bewegte sich vor und zurück und vor und zurück und …
    Ich packte ihn an den Schultern, die sich kalt anfühlten, und hievte ihn in sein Zimmer, wo ich ihn auf sein Bett manövrierte. Samir ließ sich alles willenlos gefallen. Ich stopfte ihm noch ein Kissen unter den Kopf. Und fragte noch einmal: »Samir?«
    Samirs Zuckungen hatten aufgehört. »Ja?« Er blickte sich um. »War was?«
    »Du hast gezuckt und warst vollkommen weggetreten.«
    »Hmm … Schon wieder?«, fragte er und klang recht mutlos.
    Ich schwieg.
    »Das habe ich seit der Bombe. Na ja, vielleicht sollte ich mich einfach nicht mehr damit beschäftigen.«
    Ich stand noch immer besorgt über Samir gebeugt, als Murat hereinkam. »Was macht ihr denn da?«
    Samir warf mir einen Blick zu, den ich als »Bitte erzähl das nicht weiter« deutete, also sagte ich zu Murat: »Samir war es nicht gut.« Und zu Samir flüsterte ich: »Wenn was ist, gib Bescheid.«
    Das Gespräch mit Samir geisterte

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