Doberstein & Rubov 01 - Feuerfrauen
gefangen. Er setzte eine provozierende Grimasse auf. »Das hat dir wohl dein Zuhälter beigebracht, was?«
Und wieder bekam er Gabis Tasche zu spüren. Diesmal erwischte sie ihn am linken Ohr.
Der Alte schrie spitz auf und warf Gabriele einen bösen Blick zu.
Inzwischen hatten die beiden Streithähne Gesellschaft bekommen. Ein junger Mann, vielleicht Ende 20, war aus einem Schreibwarenladen gerannt und wollte die Auseinandersetzung beenden. »Aber, aber, beruhigen Sie sich. Worum geht es eigentlich?« Hinter dem jungen Herrn war eine kleine blonde Frau in der Ladentür erschienen. Sie trug ein Baby auf dem Arm und beobachtete die Szene aus sicherer Distanz. Gabriele würdigte die beiden keines Blickes. Sie wollte den Alten keinesfalls aus den Augen lassen. Wer konnte denn wissen, was er als Nächstes anstellen würde?
Dabei hatte alles ganz harmlos angefangen: Gabriele hatte den Senior auf der Straße getroffen und sich bei ihm ein wenig über Land und Leute kundig machen wollen. Sina tat das Gleiche in einem anderen Winkel des Örtchens. Der alte Mann hatte Gabrieles Nachfrage aber offenbar missverstanden und angefangen, sie auf übelste Weise zu beschimpfen.
»Opa Bernhard!«, setzte der junge Mann an und griff den wütenden Alten am Arm. »Diese Dame hat dir bestimmt nichts Böses tun wollen. Du solltest dich bei ihr entschuldigen.«
Der Greis ließ sich nicht beirren. Kaum hatte er sich vom letzten Schlag erholt, wagte er den nächsten Angriff. Er schnappte sich seinen zur Gehhilfe umfunktionierten Einkaufswagen und hielt auf Gabi zu: »Du Teufelsweib! Noch mal erwischst du mich nicht!«
Doch das ›Teufelsweib‹ tat genau das. In diesem Moment war das rechte Ohr des aufmüpfigen Opas dran.
Wieder jaulte er auf, aber noch immer wollte der sture Dickkopf nicht locker lassen: »Ja, fein. Du gefällst mir. Wenn ich doch nur ein paar Jahre jünger wäre … – Ach, sei’s drum: Willst du meine Frau werden?« Damit hatte der Greis sein Ziel erreicht. Gabi war so perplex, dass sie einige Sekunden lang nicht aufpasste. Der Warnruf der jungen Frau, die immer noch in der Tür des Schreibwarenladens stand, kam zu spät. Der Alte hatte seinen Einkaufswagen direkt gegen Gabrieles Schienbein sausen lassen. Jetzt war sie es, die aufschrie. Mit einem albernen Lachen machte sich Opa Bernhard davon.
Gabi rieb sich wütend das Knie. »So ein widerlicher Tattergreis. Wenn der mir noch mal über den Weg läuft, kriegt er zu spüren, was ein wirkliches Teufelsweib ist.«
»Ich muss mich für Opa Bernhard entschuldigen. Aber wissen Sie, er ist über 90, und seinen Verstand hat er bei seiner Pensionierung mitsamt seiner Uniform abgegeben.«
»Was? Dieser Wurm hatte mal einen Job? Und sogar in Uniform?« Gabi konnte es kaum fassen.
Der junge Mann legte seinen Arm freundschaftlich um Gabrieles Schulter und deutete in Richtung seines Geschäfts: »Ja, er hatte einen Beruf. Er war Wachmann, im Staatsdienst. Aber kommen Sie doch erst mal herein und erholen sich von Ihrem Schrecken. Meine Frau brüht Ihnen sicher gern einen Kaffee auf.«
»Danke, wirklich sehr nett von Ihnen.«
Der Schreibwarenladen entpuppte sich als kunterbuntes Universalgeschäft mit allem, was man in Büro, Haushalt oder sonst wo benötigte. Stapelweise Papier und Pappen, dahinter diverse Geräte wie Locher und Tacker, in einer Ecke Nähzeug, in der anderen eine Auswahl kitschiger Souvenirs. Vor einer Wand standen übervolle Kleiderständer mit T-Shirts und Hemden in den schrillsten Farben. Es gab sogar ein Regal mit Fertigsuppen – was auch immer diese in einem Bürofachhandel zu suchen hatten.
»Gibt es bei Ihnen auch Brot oder Wurst?«, scherzte Gabriele.
»Nein, aber das ist gar keine schlechte Idee. Wir wollten unser Sortiment ohnehin erweitern.« Die Antwort kam von der kleinen Frau, die Gabi zuvor in der Tür stehen gesehen hatte. Ihr Baby hatte sie in eine Wiege gelegt, die zur Hälfte von einem plüschigen grünen Vorhang verdeckt war. Die Frau kam näher und schüttelte Gabriele freundschaftlich die Hand. »Unser Laden ist zu abgelegen, und Büroartikel gehen auf der Insel ohnehin nicht besonders gut. Wir sind auf Nebeneinnahmen dringend angewiesen«, erklärte sie.
Ihr Mann nahm ihr die Tasse ab, in die sie tiefschwarzen Kaffee geschüttet hatte, und gab sie an Gabi weiter: »Vor allem, seit der Kleine geboren ist, ist’s finanziell recht eng. Da ist uns jedes Zusatzgeschäft recht.«
So skurril dieser Laden auch sein mochte: Das junge
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