Doberstein & Rubov 01 - Feuerfrauen
verkraften. Ich schlage vor, du gehst einen Kaffee trinken oder so, und ich übernehme den Kerl hier, o. k.?«
Gabi traute der Sache nicht, gab aber angesichts ihrer eigenen geringen Erfolgsaussichten nach. »Einverstanden, versuch dein Glück. Aber beschwer dich hinterher nicht über die blauen Flecken.« Im Weggehen rief sie ihrer Freundin zu: »Und lass dich vom Charme des Alten nicht verführen, Süße!«
16
Gabriele hatte sich in Richtung Kiosk zurückgezogen. Nicht genug damit, dass dieser garstige Opa ihr abermals gründlich in die Parade gefahren war. Nein, nun stahl ihr Sina auch noch die Show. Aber weit würde sie wahrscheinlich nicht kommen. Warum sollte sich der senile Bastard ausgerechnet mit Sina besser verstehen? Auf diesen doppelten Schrecken brauchte sie eine Stärkung. »Ein Krabbenbrötchen, bitte«, bat Gabriele die Kiosk-Frau. Sie würde dieses Brötchen in aller Ruhe verspeisen. Und dann vielleicht noch eins. Und wenn Sina sich bis dahin nicht gerührt hatte, würde sie die Zügel wieder selbst in die Hand nehmen.
»Bitte, Ihr Brötchen.« Die Frau im Verkaufsstand – drinnen war es so düster, dass man sie kaum erkennen konnte – reichte Gabriele ein blasses Etwas. Es sah eher wie ein weiches Toastbrot als ein Brötchen aus. Und auch die Krabben – waren es vier oder nur drei? – machten nicht gerade einen appetitlichen Eindruck. Aber sei’s drum. Gabriele war nicht nach einem neuen Streitgespräch zumute. Sie nahm das Brötchen, zahlte brav, und biss kräftig hinein. Es schmeckte gar nicht mal schlecht.
Ein zweites Brötchen konnte sie sich sparen. Kaum hatte sie das erste verspeist, kam Sina aus der Häuserschlucht hervor, hinter der Opa Bernhards Hütte stand. Sie machte nicht den niedergeschlagenen Eindruck, den Gabriele erwartet hatte. Ganz im Gegenteil.
»Schöne Grüße von Opa Bernhard«, rief sie ihr entgegen.
Gabriele wollte ihren Ohren nicht trauen.
Sina strahlte über beide Wangen, als sie stolz verkündete: »Ich habe mit ihm gesprochen. Richtig vernünftig. Ohne Pöbeleien und weitere blaue Flecken.«
Gabriele wusste nicht, ob sie sich nun freuen oder angesichts dieser persönlichen Niederlage doch eher ärgern sollte.
Aufmunternd fügte Sina hinzu: »Mach dir nichts daraus. Du konntest ihn gar nicht selbst zum Reden bringen. Weil …« Sina musste schmunzeln. »Weil: Er ist nämlich in dich verliebt , hat er gesagt. Bis über beide Ohren. Ganz stolz hat er von seinem Teufelsweib gesprochen.«
Gabi war platt. »Verliebt? Dieser alte Knacker? Und ausgerechnet in mich? Der ist doch steinalt!«
Sina grinste immer noch. »94, um genau zu sein.«
»Ja, und warum kann er nicht ein wenig freundlicher zu seiner Angebeteten sein?«
»Weil er so schüchtern ist.«
»Bitte? Der und schüchtern! Frag mal mein Knie, was das von seiner Schüchternheit hält.«
Sina musste sich beinahe biegen, so sehr amüsierte sie sich über die Reaktion ihrer Freundin. »Er sagt, er sei schon immer so grob gegenüber seinen Auserwählten gewesen. Da gehe es halt mit ihm durch, sagt er. Unter dem Motto: Raue Schale, weicher Kern.«
Die beiden Frauen machten sich auf den Weg zurück in die Unterkunft. »Na, da habe ich mir ja einen tollen Verehrer aufgehalst«, ächzte Gabriele.
Sina boxte ihr in die Seite: »Kann durchaus seinen Reiz haben: Heißt es nicht, dass die reiferen Semester die besseren Lover stellen? Versuch’s doch wenigstens mal.« Für diese kesse Aufforderung fing sich Sina einen bitterbösen Blick ein. »Na gut, war ja nicht so gemeint.«
Gabriele grummelte: »Statt mir einen scheintoten Liebhaber anzudichten, solltest du mir lieber erzählen, was Opa Bernhard übers Testgelände ausgeplaudert hat.«
Sina versuchte sich zu fassen. »Der hat geredet wie ein Lexikon.« Gabi wollte widersprechen, aber Sina fuhr augenblicklich fort: »Ja, ja, ich weiß: Lexikonne reden nicht.«
»Lexika.«
»Ja, die wohl auch nicht. Auf jeden Fall kennt er das Gelände tatsächlich so gut wie seine Westentasche. Das heißt: Er kannte .«
Gabriele stutzte: »Wieso kannte?«
»Seit ungefähr einem halben Jahr hat er das Gebiet nicht mehr betreten. Weil er drüber weg ist, sagt er. Er wollte endlich mit seiner beruflichen Vergangenheit abschließen. Einen Schlussstrich ziehen. Aber irgendwie nehme ich ihm das nicht ab. Denn in einem halben Jahr verliert man ja nicht sein ganzes Wissen über die Gegend. Klang eher so, als würde er was verbergen.«
Die Frauen hatten ihre Herberge
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