Doberstein & Rubov 01 - Feuerfrauen
kam selten genug vor.
Beide machten es sich auf dem struppigen Grasboden gemütlich, soweit das eben ging. Sina hatte ihren Rucksack abgesetzt, Gabriele stellte ihren daneben. Ein morscher, auf dem Boden liegender Baumstamm diente den beiden Frauen als Lehne und sie begannen, den Inhalt ihrer Rucksäcke vor sich auszubreiten. Sina kramte eine Thermoskanne und eingewickelte Brote hervor. Gabriele war wieder ganz bei der Sache und zerrte ihre kopierten Lagepläne aus dem Sack.
Ein kräftiger Biss ins Schinkenbrot bewirkte bei Sina wahre Wunder. Sie spürte, wie ihre Lebensgeister zurückkehrten. Sie reichte die Stulle an Gabriele weiter, massierte dann ihre strapazierten Waden. »Da haben wir ganz schön was geschafft, heute.«
Gabriele gönnte sich ebenfalls einen Bissen von dem Brot, kaute genüsslich und sagte dann: »Naja, wie man’s nimmt. Wir haben zwar eine recht große Fläche abgeklappert. Aber das, worauf es ankommt, haben wir nicht gefunden. Von ›geschafft‹ kann also keine Rede sein.« Sie gab das Brot an ihre Freundin zurück und vertiefte sich erneut in ihre Unterlagen.
»Nach allem, was ich mir bisher über diesen Bunker zusammenreimen kann, müssen wir nach einem ausgeprägten Gebilde Ausschau halten«, erklärte Gabriele. »Die Fachliteratur verrät kaum etwas über die unterirdischen Anlagen bei Peenemünde. Aber man kann sich wohl an der Konstruktion der 15 Führerhauptquartiere orientieren, die im Laufe des Krieges aus dem oder besser in den Boden gestampft wurden.«
Sina sah verblüfft auf: »Sagtest du 15?«
»Ja. So viele Höhlen hat sich dieser Größenwahnsinnige bauen lassen. Das hat ihm auch den Vorwurf eingebracht, dass er für seine Privatbunker mehr Stahlbeton verbraucht hat als der gesamtem deutschen Bevölkerung für ihre Luftschutzbauten zur Verfügung stand.«
Sina schüttelte verächtlich den Kopf: »Kaum zu glauben, was für Irrsinnsbauten die sich damals erlaubt haben.«
»Tja, die haben sich noch so manches andere erlaubt.«
»Und dabei die eigenen Leute kaputtbomben lassen.« Sina beschloss, diese düsteren Gedanken beiseite zu schieben. Neugierig guckte sie in die Kopien, die Gabriele vor sich ausgebreitet hatte. »Dann erzähl mal: Was genau zeichnet diese Bunkeranlagen aus? Auf was müssen wir besonders achten?«
Gabriele deutete auf die Skizzen und Fotos, die sie aus Büchern und Zeitschriften zusammengestellt hatte. »Gehen wir vom Führerhauptquartier in Berlin aus: Die Sohle lag zwölf Meter unter der Erdoberfläche.«
»Ein ziemlich tiefes Loch«, warf Sina ein.
Gabriele nickte beiläufig. »Vor Bombenangriffen von oben war der Bau durch eine 3,50 Meter starke Betondecke geschützt. Die Seitenwände maßen immerhin stattliche 2,20 Meter.«
Sina schwenkte abwägend den Kopf: »Recht imposant, das Ding. Dürfte nicht schwer sein, ein solches Monstrum aufzuspüren.«
Gabriele blickte sie missmutig an: »Eben doch, Sina. Denn die Betondecke ragte nicht etwa aus dem Boden heraus, so dass sie jeder Passant leicht erkennen konnte. Nein, über dem ganzen Bauwerk lag eine zwei Meter dicke Erdschicht. Zwei Meter, Sina! Da können wir schaufeln, bis wir umfallen.«
Sina grübelte einige Augenblicke lang. Gabrieles Vortrag hatte ihren Ehrgeiz angestachelt. Ein Bunker, noch dazu von dieser Größenordnung, musste sich aufspüren lassen! Es wäre gelacht, wenn sie da nicht weiterkäme. Eindringlich musterte sie die Pläne vor sich im Gras und strich dann mit dem Zeigefinger darüber hinweg: »Auch wenn eine solche Anlage 100 Meter tief in der Erde stecken würde, gäbe es etwas, das ihren Standort verrät.«
Gabriele warf ihr einen neugierigen Blick zu: »Und was sollte das deiner Meinung nach sein?«
Sina fuhr weiter mit ihrem Finger suchend auf dem Plan entlang. »So ein Keller braucht eine Entlüftung. Schau hier, beim Berliner Bunker: Da ragte mal ein richtiger kleiner Stahlbetonturm mit Spitzdach aus der Erde. Außerdem muss es irgendwo einen Eingang geben.«
Gabriele griff sich die Thermoskanne. »Klar, da hast du recht. Aber vergiss nicht, dass die Anlage wahrscheinlich kurz nach dem Krieg geschleift oder auf gutdeutsch plattgemacht worden ist. Vielleicht sogar schon während des Krieges, um den Gegnern nicht die komplette Forschungsarbeit in die Hände zu spielen.«
Sina dachte einige Momente angestrengt nach. Sicher: Gabrieles Einwand war nicht von der Hand zu weisen. Andererseits waren sie hier auf einer Halbinsel. Also nahe am Wasser. Das
Weitere Kostenlose Bücher