Doch die Sünde ist Scharlachrot
innehielt und merkte, was er da tat. Schuldgefühle überkamen ihn, aber nur für einen kurzen Augenblick. Den Schuldgefühlen folgte die Erinnerung an Helen – die erste seit ihrem Tod, die ihn zum Lächeln brachte. In Sachen klassische Musik war sie schier hoffnungslos gewesen, mit Ausnahme einer einzigen Mozart-Komposition, die sie unfehlbar und voller Stolz erkannte. Als sie zum ersten Mal mit ihm zusammen Domröschen gehört hatte, hatte sie gerufen: »Walt Disney! Tommy, Darling, seit wann hörst du Walt Disney? Das sieht dir überhaupt nicht ähnlich.«
Er hatte sie verständnislos angestarrt, bis er sich an den alten Zeichentrickfilm erinnerte, den sie wohl kürzlich während eines Besuches bei ihren Nichten und Neffen gesehen hatte. Mit ernster Miene hatte er erklärt: »Walt Disney hat sich bei Tschaikowsky bedient, Liebling.« Woraufhin sie sich empört hatte: »Das ist doch nicht möglich! Hat Tschaikowsky auch den Text geschrieben?« Er hatte das Gesicht zur Decke gewandt und gelacht.
Doch Helen war nicht gekränkt gewesen. Das hatte ihrer Natur einfach ferngelegen. Stattdessen hatte sie die Hand an den Mund gelegt und gefragt: »Hab ich's schon wieder getan? Siehst du, das ist der Grund, warum ich andauernd Schuhe kaufen muss. So viele Fettnäpfe – da muss ich sie einfach ständig ersetzen.«
Sie war absolut unmöglich gewesen, dachte er. Hinreißend, anziehend, nervtötend und urkomisch. Und weise. Sie hatte eine Weisheit des Herzens besessen, die er nicht für menschenmöglich gehalten hatte. Was ihn betraf – ebenso wie alles, was zwischen ihnen von Bedeutung war. Er vermisste sie schmerzlich in diesem Augenblick, aber gleichzeitig feierte er sie. Und damit einher ging eine leichte Veränderung in seinem Innern – die erste seit ihrer Ermordung.
Er summte weiter, während er sich abtrocknete. Er summte immer noch, das Handtuch um die Hüften geschlungen, als er die Tür zu dem schmalen Korridor öffnete.
Und fand sich Auge in Auge mit Detective Sergeant Barbara Havers.
»Mein Gott«, entfuhr es ihm.
»Ich bin schon schlimmer betitelt worden«, bemerkte Havers. Sie fuhr mit der Hand durch ihren unmöglich geschnittenen und jetzt auch noch ungekämmten Schopf. »Sind Sie immer so munter vor dem Frühstück, Sir? Falls ja, ist heute das letzte Mal, dass ich das Badezimmer mit Ihnen teile.«
Er konnte einen Moment nichts anderes tun als sie anstarren, so unvorbereitet war er auf den Anblick seiner ehemaligen Partnerin gewesen. In Ermangelung von Hausschuhen trug sie dicke himmelblaue Socken an den Füßen, darüber einen rosa Schlafanzug, der mit Schallplatten, Noten und Zitaten aus Rockklassikern bedruckt war. Sie schien zu merken, dass er ihre Aufmachung begutachtete, und erklärte: »Oh. Das war ein Geschenk von Winston.«
»Die Socken oder der Rest?«
»Der Rest. Er hat ihn in einem Katalog entdeckt. Konnte nicht widerstehen, hat er gesagt.«
»Ich werde mit Sergeant Nkata über impulsives Verhalten und Selbstbeherrschung sprechen müssen.«
Sie kicherte in sich hinein. »Ich hab's doch gewusst: Sollten Sie diesen Schlafanzug je sehen, würden Sie hingerissen sein.«
»Das Wort ›hingerissen‹ wird meinen Gefühlen nicht einmal ansatzweise gerecht.«
Sie nickte zum Badezimmer hinüber. »Sind Sie da drin fertig mit Ihrer Morgen-was-auch-immer?«
Er trat beiseite. »Es gehört Ihnen.«
Sie schob sich an ihm vorbei, hielt aber inne, ehe sie die Tür schloss. »Tee?«, fragte sie. »Kaffee?«
»Kommen Sie einfach nachher bei mir vorbei.«
Als sie schließlich in ihrer üblichen Montur in sein Zimmer trat, war er inzwischen angezogen und hatte Tee gekocht – für Instantkaffee war er nicht verzweifelt genug. Sie hatte angeklopft und überflüssigerweise gerufen: »Ich bin's!«
Er hatte ihr die Tür geöffnet, und sie hatte sich sogleich neugierig umgesehen. »Ich sehe, Sie haben das elegantere Zimmer für sich beansprucht. Meines war mal der Dachboden. Ich fühle mich wie Aschenputtel vor dem gläsernen Schuh.«
Er hielt die Blechkanne mit dem Tee hoch. Sie nickte und ließ sich auf sein Bett fallen, das er ordentlich gemacht hatte. Havers hob die alte Tagesdecke an, um zu inspizieren, wie er das hinbekommen hatte. »Ordentliche Ecken, wie bei einem Krankenhausbett«, stellte sie anerkennend fest. »Gut gemacht, Sir. Haben Sie das in Eton gelernt? Oder zu einem anderen Zeitpunkt Ihrer wechselvollen Vergangenheit?«
»Von meiner Mutter«, erklärte er. »Die Kunst des
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