Doch die Sünde ist Scharlachrot
Bettenmachens und der korrekte Einsatz von Leinenservietten spielten in ihrer Erziehung eine zentrale Rolle. Soll ich Milch und Zucker für Sie dazugeben, oder tun Sie das lieber selbst?«
»Machen Sie nur«, antwortete sie. »Mir gefällt die Vorstellung, dass Sie mich bedienen. Das ist die erste und womöglich auch letzte Gelegenheit, also werde ich es einfach genießen.«
Er reichte ihr den Tee, schenkte sich selbst eine Tasse ein und setzte sich in Ermangelung eines Stuhles zu Barbara aufs Bett. »Was haben Sie hier verloren, Havers?«, fragte er.
Sie zeigte mit der Teetasse auf die Zimmertür. »Sie haben mich doch eingeladen.«
»Sie wissen genau, was ich meine.«
Sie trank einen Schluck. »Sie wollten Informationen über Daidre Trahair.«
»Die Sie mir problemlos am Telefon hätten übermitteln können.« Er dachte nach und rief sich ihr Gespräch in Erinnerung. »Sie saßen im Auto, als ich Sie auf dem Handy angerufen habe. Waren Sie unterwegs hierher?«
»So ist es.«
»Barbara …«, und in seiner Stimme lag die unmissverständliche Warnung: Halten Sie sich aus meinem Leben heraus.
»Bilden Sie sich ja nichts ein, Superintendent.«
»Tommy. Oder Thomas. Oder was auch immer. Aber nicht Superintendent.«
»Tommy? Thomas? Das können Sie sich abschminken! Können wir uns auf ›Sir‹ einigen?« Und als er die Schultern zuckte, fügte sie hinzu: »Detective Inspector Hannaford hat kein Kripo-Team für den Fall. Als sie bei Scotland Yard angerufen hat, um Ihre Identität zu überprüfen, hat sie die Situation erklärt. Ich wurde leihweise hergeschickt.«
»Und das ist alles?«
»Das ist alles.«
Lynley studierte ihr Gesicht. Es war ausdruckslos – das perfekte Pokerface, das jeden, der sie weniger gut kannte als er, hinters Licht geführt hätte. »Erwarten Sie im Ernst, dass ich das glaube, Barbara?«
»Sir, da gibt es nichts weiter zu glauben.«
Sie sahen einander in die Augen wie Westernhelden vor dem Showdown. Aber letzten Endes war damit nichts zu gewinnen. Sie hatte zu lange mit ihm zusammengearbeitet, um sich von seinem Schweigen und dem, was es implizieren mochte, einschüchtern zu lassen. Schließlich erklärte sie: »Ihre Kündigung ist übrigens niemals an die Personalabteilung weitergeleitet worden. Offiziell haben Sie Sonderurlaub wegen eines Trauerfalls, und zwar auf unbestimmte Zeit, wenn's sein muss.« Sie trank noch einen Schluck Tee. »Und, muss es sein?«
Lynley wandte den Blick ab. Er sah durchs Fenster in den grauen Tag hinaus. Der Efeu, welcher auf dieser Seite die Mauer emporkletterte, schlug im Wind gegen die Scheibe. »Ich weiß es nicht«, erwiderte er. »Ich glaube, ich bin damit fertig, Barbara.«
»Sie haben die Stelle ausgeschrieben. Nicht Ihre alte, sondern die, die Sie wahrgenommen hatten, als … Sie wissen schon. Webberlys Job, die Stelle des Detective Superintendent. John Stewart bewirbt sich. Andere auch. Ein paar von außen, ein paar von uns. Stewart hat sozusagen einen Standortvorteil, aber ganz unter uns: Es wäre eine Katastrophe, wenn er die Stelle bekäme.«
»Es könnte schlimmer kommen.«
»Das sehe ich anders.« Sie legte eine Hand auf seinen Arm. Das kam so selten vor, dass er sie ansehen musste.
»Kommen Sie zurück, Sir.«
»Ich glaube nicht, dass ich das kann.« Er stand auf, ging auf Abstand – nicht zu ihr, sondern zu der Vorstellung, wieder bei Scotland Yard arbeiten zu müssen. Dann fragte er: »Aber warum hier? Mitten im Nirgendwo? Sie könnten in der Stadt wohnen, was viel näher läge, wenn Sie mit Bea Hannaford arbeiten.«
»Das könnte ich Sie genauso fragen, Sir.«
»Ich wurde am ersten Abend hierhergebracht. Es schien das Einfachste hierzubleiben. Es lag am nächsten.«
»Am nächsten?«
»Zum Fundort der Leiche. Warum werde ich eigentlich zum Ermittlungsgegenstand gemacht? Was geht hier vor?«
»Das hab ich Ihnen doch schon gesagt.«
»Nicht alles.« Er sah sie wieder an. Wenn sie gekommen war, um ein Auge auf ihn zu haben, was vermutlich der Fall war – denn Havers war nun einmal Havers –, dann konnte es dafür nur einen Grund geben. »Was haben Sie über Daidre Trahair herausgefunden?«
Sie nickte. »Sehen Sie? Ihre Spürnase funktioniert immer noch.« Sie leerte ihre Tasse und streckte sie ihm entgegen. Er schenkte ihr nach und gab ein Päckchen Zucker und zwei der kleinen Milchdöschen hinzu. Sie sagte nichts, bis er ihr die Tasse zurückgegeben und sie einen Schluck getrunken hatte. »Es gibt eine Familie
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