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Doch die Sünde ist Scharlachrot

Doch die Sünde ist Scharlachrot

Titel: Doch die Sünde ist Scharlachrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Elizabeth
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Stein gleich am Straßenrand der B3297. Er war nicht zu schwer und steckte kaum zur Hälfte in der Erde, sodass sie ihn leicht herauslösen konnte. Sie trug ihn zurück zu dem Dreieck zwischen der Landstraße und dem schmaleren Fahrweg und legte ihn dort ab. Dann hob sie eine Ecke an und schob die Postkarte mit dem Zigeunerwagen darunter. Erst als das getan war, war sie imstande, ihre Fahrt fortzusetzen.

17
    »Du verstehst überhaupt nichts, Granddad. Kein Wunder, dass dich alle irgendwann verlassen haben«, hatte sie ihm noch entgegengeschleudert, ehe sie in Casvelyn aus dem Auto gestiegen war. Sie hatte eher traurig als wütend geklungen, und das hatte es Selevan Penrule unmöglich gemacht, entrüstet zu reagieren. Er hätte nur zu gerne ein rhetorisches Geschoss auf sie abgefeuert und mit seiner langen Erfahrung in verbaler Kriegsführung genüsslich zugesehen, wie es sein Ziel fand. Aber irgendetwas in ihren Augen hatte ihn daran gehindert – trotz der Kränkung, die ihre Worte bei ihm verursacht hatten. Vielleicht war er ja aus der Übung, dachte er. Entweder das – oder das Mädchen fing an, ihm gar zu sehr ans Herz zu wachsen. Diese Vorstellung gefiel ihm ganz und gar nicht.
    Er hatte sie auf der Fahrt zum Clean-Barrel-Surfshop zur Rede gestellt, und er war stolz auf sich gewesen, dass er einen ganzen Tag lang der Versuchung widerstanden hatte, sie sich gleich vorzuknöpfen. Er war kein Freund von Geheimnissen, und Lügen verabscheute er erst recht. Dass Tammy Erstere hütete und Letztere benutzte, machte ihm schwerer zu schaffen, als er es sich eingestehen wollte. Denn trotz ihrer Eigenarten in Bezug auf Kleidung, Benehmen, Ernährung und Absichten mochte er das Mädchen. Und er wollte nur zu gerne glauben, dass sie anders war als die übrigen Teenager dieser Welt, diese verschlagenen Halbwüchsigen, die ein heimliches Zweitleben führten, das von Sex, Drogen und körperlicher Verstümmelung bestimmt zu sein schien.
    Er hatte tatsächlich geglaubt, dass sie sich von ihren Altersgenossen unterschied. Doch dann hatte er beim Beziehen der Betten den Umschlag unter ihrer Matratze gefunden, und beim Lesen des Inhalts hatte er erkennen müssen, dass sie auch nicht anders war als die anderen. Alle Fortschritte, die er mit ihr gemacht zu haben glaubte, waren nur Lug und Trug gewesen.
    In einer anderen Situation hätte dieses Wissen ihn nicht weiter belastet. Nichts würde überstürzt passieren, also würde ihm Zeit bleiben, seine Bemühungen zu verdoppeln und ihr seinen Willen aufzuzwingen … und den Willen ihrer Eltern. Das Problem dabei war allerdings, dass Tammys Mutter nicht gerade für ihre Geduld berühmt war. Sie wollte Ergebnisse sehen, und wenn diese sich nicht binnen Kurzem einstellten, wusste Selevan, wäre Tammys Zeit in Cornwall schon bald vorüber.
    Also hatte er während der Fahrt den Umschlag hervorgezogen, den er unter ihrer Matratze gefunden hatte, und aufs Armaturenbrett gelegt. Tammy hatte erst den Umschlag angesehen, dann ihren Großvater. Und schließlich war dieses gottverdammte Mädchen in die Offensive gegangen: »Du durchwühlst also meine Sachen, wenn ich nicht zu Hause bin.« Sie hatte zu Tode gekränkt geklungen. »Das hast du mit Tante Nan auch getan, nicht wahr?«
    Er gedachte nicht, sich auf eine Debatte über seine Tochter und den Taugenichts einzulassen, mit dem sie seit zweiundzwanzig Jahren verheiratet war – angeblich glücklich. »Das hier hat nichts mit deiner Tante zu tun«, hatte er entgegnet. »Tammy, was soll dieser Blödsinn?«
    »Du kannst es einfach nicht akzeptieren, wenn jemand anderer Ansicht ist als du, Granddad. Und das ist so typisch für dich! Wenn irgendetwas nicht Teil deines Erfahrungshorizontes ist, dann ist es nicht wert, zur Kenntnis genommen zu werden. Oder es ist schlecht. Oder sogar böse. Aber das hier ist nicht böse. Es ist das, was ich will, und wenn du und Dad und Mum nicht einsehen könnt, dass es die Antwort ist, die diese ganze verdammte Welt jetzt braucht, damit sie eben aufhört, eine verdammte Welt zu sein …« Sie hatte sich den Umschlag geschnappt und ihn in ihren Rucksack gestopft. Er hatte damit geliebäugelt, ihn ihr zu entreißen und aus dem Fenster zu werfen, aber was hätte das genützt? Wo dieser eine Umschlag herkam, da waren auch noch weitere.
    Als sie wieder gesprochen hatte, war ihre Stimme verändert gewesen. Sie hatte erschüttert geklungen – das Opfer eines Verrats. »Ich dachte, du würdest mich verstehen. Oder

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