Doch die Sünde ist Scharlachrot
zwischen den Fingern hin- und herzurollen, hätte ihm genügt; denn so hätte er sich wenigstens nicht genötigt gefühlt, Zuckertütchen in Fetzen zu reißen. Denn genau das war es, was er tat, während er auf DS Ferrells Rückkehr wartete. Eines öffnete er und schüttete den Inhalt in seinen Kaffee. Die anderen schüttete er zu einem Hügelchen auf der Tischplatte auf, zog mit einem Plastikrührer Muster hinein und versuchte, nicht nachzudenken.
Es gab keinen Affenpfleger namens Paul, aber was hieß das schon? Eine Frau, die Wert auf ihre Privatsphäre legte, war mit Artikeln über Wunder erwischt worden und hatte sich dafür eine Ausrede einfallen lassen. Das war doch nur menschlich. Verlegenheit führte zu Notlügen. Das war kein Verbrechen. Doch war dies nicht die einzige Lüge der Tierärztin gewesen, und genau damit musste er sich auseinandersetzen. Was sollte er von Daidre Trahairs Lügen halten, was sollte er unternehmen?
Es dauerte geschlagene sechsundzwanzig Minuten, bis DS Ferrell zurückkam. Und er brachte nichts mit in die Kantine als einen Zettel. Lynley hatte auf Kartons voller Akten gehofft, die er würde einsehen können, und für einen Moment war er enttäuscht. Doch was Ferrell ihm mitteilte, versöhnte ihn ein wenig.
»Der Detective Inspector, der den Fall bearbeitet hat, ist schon lange vor meiner Zeit pensioniert worden«, berichtete er. »Er dürfte inzwischen schon über achtzig sein. Er wohnt in Zennor, gegenüber der Kirche, gleich neben dem Pub. Er hat gesagt, er trifft Sie am Sitz der Meerjungfrau, wenn Sie ihn sprechen wollen.«
»Sitz der Meerjungfrau?«
»Das war es, was er gesagt hat. Wenn Sie ein anständiger Polizist sind, finden Sie das sicher.« Ferrell zuckte ein wenig verlegen die Schultern. »Komischer Kauz, wenn Sie mich fragen. Also seien Sie gewarnt. Ich glaube, er ist ein bisschen gaga.«
19
Da Daidre Trahair nicht zu Hause gewesen war, blieb Bea Hannaford und Barbara Havers nichts anderes übrig, als zur Polizeiwache zurückzukehren. Bea hatte ihre Visitenkarte in den Türschlitz des Cottages geklemmt, mit der handschriftlichen Bitte darauf, anzurufen oder zur Wache zu kommen, aber sie hegte wenig Hoffnung, dass dies sie auch nur einen Schritt weiterbringen würde. Zum einen besaß Dr. Trahair hier weder einen Festnetzanschluss noch ein Handy, und bedachte man ihren bisherigen Umgang mit der Wahrheit – den man bestenfalls als locker und entspannt bezeichnen konnte –, war sie wahrscheinlich nicht übermäßig motiviert, sie zu kontaktieren. Sie war eine Lügnerin. Das wussten sie inzwischen mit Gewissheit. Und Daidre Trahair wusste, dass sie wussten, dass sie eine Lügnerin war. Warum sollte sie sich freiwillig in eine Position begeben, die zwangsläufig zu einem unschönen Zusammenstoß mit der Polizei führen würde?
»Er sieht die Dinge nicht so, wie er sie sehen sollte«, sagte Bea unvermittelt zu DS Havers, als sie bergan fuhren und Polcare Cove hinter sich ließen. Polcare Cottage und Daidre Trahair – darum kreisten ihre Gedanken, und völlig unwillkürlich wurde daraus ein Gesamtbild, das neben Polcare Cottage und Daidre Trahair auch Thomas Lynley mit einschloss. Bea gefiel nicht, dass er dort gewesen war – als inoffizielles Begrüßungskommando für sie und Havers. Und noch weniger gefiel ihr, wie vehement Lynley für Dr. Trahairs Unschuld in Bezug auf Santo Kerne plädiert hatte.
»Er ist der Ansicht, dass man sich alle möglichen Optionen offenhalten sollte«, erklärte Havers. Ihr Tonfall hatte eine gezwungene Leichtigkeit, und Detective Inspector Hannaford verengte argwöhnisch die Augen. Havers, sah sie, stierte stur geradeaus, während sie sprach, als wäre die genaue Betrachtung des Sträßchens aus irgendeinem Grund von eminenter Wichtigkeit. »Das war auch schon alles, was es mit der Sache dort am Cottage auf sich hatte. Er betrachtet die Situation aus der Perspektive, wie der Staatsanwalt sie betrachten würde. Lassen wir für den Moment eine Festnahme einmal außer Acht, denkt er sich. Denn die Frage ist: Ist das alles hier ausreichend, um damit vor Gericht zu gehen? Ja oder nein? Lautet die Antwort Nein, lässt er uns alle weitergraben. Er treibt einen in den Wahnsinn damit, meistens zumindest; aber am Ende hat er noch immer recht behalten.«
»Wenn das der Fall ist, sollten wir uns fragen, warum er so unwillig ist, Dr. Trahairs Geschichte auszugraben.«
»Ich nehme an, er glaubt, die Sache in Newquay sei vielversprechender. Aber
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