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Doch die Sünde ist Scharlachrot

Doch die Sünde ist Scharlachrot

Titel: Doch die Sünde ist Scharlachrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Elizabeth
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sich alles andere als schelmisch.
    »Ich habe deine Eltern gehört. Oder genauer gesagt, deine Mutter. Sie hat …« Er senkte den Kopf und schien sich auf seine Schuhe zu konzentrieren: zweifarbige Sattelschuhe, und Kerra betrachtete sie ebenso wie er. Sie überlegte, ob sie je einen anderen Mann Sattelschuhe hatte tragen sehen. Wie kam es nur, dass er sie tragen konnte, ohne wie ein Dandy aus einem Roman von P. G. Wodehouse auszusehen?
    »Ich weiß, das alles ist schrecklich«, sagte er schließlich. »Ich bin mir einfach nur nicht im Klaren darüber, was von mir erwartet wird. Zuerst habe ich gedacht, es wäre richtig, einfach weiterzumachen wie bisher, aber so langsam kommt es mir unmenschlich vor. Deine Mutter ist unverkennbar außer sich, und dein Vater …«
    »Woher willst du das wissen?« Die Frage entschlüpfte ihr, ehe sie es verhindern konnte, und sofort bereute sie es.
    »Was wissen?« Alan schien verwirrt. Ihre Frage hatte ihn offenbar aus seinem Konzept gerissen.
    »Dass meine Mutter außer sich ist.«
    »Wie gesagt, ich habe sie gehört. Ich war nach oben gegangen, weil unten niemand war und wir inzwischen an dem Punkt sind, da wir entscheiden müssen, ob wir noch Buchungen annehmen oder die ganze Sache abschreiben.«
    »Und das macht dir Sorgen, ja?«
    »Sollte das nicht uns allen Sorgen machen?« Er lehnte sich auf dem Stuhl zurück und sah sie direkt an, faltete die Hände vor dem Bauch und fragte schließlich: »Warum sagst du es mir nicht, Kerra?«
    »Was?«
    »Ich glaube, das weißt du.«
    »Und ich glaube, du bluffst.«
    »Du warst im Pink Cottage. Du hast mein Zimmer durchwühlt.«
    »Welch eine überaus loyale Vermieterin du doch hast.«
    »Was hast du denn erwartet?«
    »Du willst wirklich wissen, wonach ich gesucht habe?«
    »Du hast ihr gesagt, du hättest etwas vergessen, also nehme ich an, du hast etwas vergessen. Ich verstehe nur nicht, warum du mich nicht einfach gebeten hast, es dir mitzubringen.«
    »Ich wollte dir keine Mühe machen.«
    »Kerra.« Er atmete einmal tief und hörbar ein und wieder aus. Dann ließ er die Hände auf die Knie fallen. »Was in Gottes Namen ist hier eigentlich los?«
    »Wie bitte?« Sie schaffte es erneut, verschmitzt zu wirken. »Vielleicht liegt es daran, dass mein Bruder ermordet worden ist? Ist das nicht Grund genug dafür, dass die Dinge vielleicht nicht ganz so laufen, wie du es gern hättest?«
    »Du weißt genau, was ich meine. Da ist die Sache mit Santo, und Gott weiß, das ist ein Albtraum. Eine schreckliche Tragödie.«
    »Nett von dir, Letzteres noch hinzuzufügen.«
    »Aber darüber hinaus ist irgendetwas mit dir und mir geschehen, und ob du es nun zugeben willst oder nicht, es hat an dem Tag begonnen, als das mit Santo passierte.«
    »Das, was Santo passierte, war Mord«, erwiderte Kerra. »Warum kannst du es nicht aussprechen, Alan? Wieso kannst du nicht Mord sagen?«
    »Aus dem offensichtlichen Grund. Weil ich nicht will, dass du dich noch schlechter fühlst, als es bereits der Fall ist. Niemand sollte sich noch schlechter fühlen, als es bereits der Fall ist.«
    »Niemand?«
    »Du nicht, dein Vater nicht, deine Mutter nicht. Kerra …«
    Sie stand auf. Die Postkarte versengte ihr die Haut. Sie zwang Kerra geradezu, sie aus der Tasche zu ziehen und Alan entgegenzufeuern. Hier ist es erforderte eine Erklärung. Doch die Erklärung existierte ja bereits. Nur deren Konfrontation stand noch aus.
    Kerra wusste, wer ihr Gegenpart in dieser Konfrontation sein musste, und es handelte sich hierbei nicht um Alan. Also entschuldigte sie sich knapp, verließ das Büro und nahm die Treppe statt den Aufzug.
    Ohne anzuklopfen, betrat sie das Schlafzimmer ihrer Eltern, die Postkarte in der Hand. Irgendwann im Laufe des Vormittages waren die Vorhänge geöffnet worden, sodass man Staubflocken in einem Rechteck aus schwachem Frühlingslicht tanzen sah. Aber niemand war auf die Idee gekommen, das Fenster zu öffnen, um die widerwärtig schlechte Luft herauszulassen. Es roch nach Schweiß und Sex.
    Kerra hasste diesen Geruch: für das, was er über ihre Eltern aussagte, für den Würgegriff, in dem sie einander umklammert hielten. Sie durchschritt den Raum und stieß das Fenster auf, so weit es ging. Kalte Luft strömte herein.
    Als sie sich umwandte, sah sie, dass das Bett ihrer Eltern zerwühlt und die Laken fleckig waren. Einige Kleidungsstücke ihres Vaters lagen in einem Häuflein auf dem Boden, als hätte sein Körper sich aufgelöst und einzig diese

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