Doch die Sünde ist Scharlachrot
Schlusslicht, und als zöge sie auf einem Catwalk ihre Kreise, bedachte sie Cadan im Vorbeigehen mit einem vernichtenden Blick. »Was für ein dämlicher Vogel! Der kann ja nicht mal sprechen. Was für 'n Papagei ist denn das, der nicht mal spricht?«
»Einer, der sich sein Vokabular für intelligentere Unterhaltungen aufspart«, teilte Cadan ihr mit.
Leigh streckte ihm die Zunge heraus und verließ das Wohnzimmer.
Nach einer freudlosen Mahlzeit aus Pizza, die zu lange herumgestanden hatte, und einem Salat, den eine Köchin, die in Gedanken mit anderen Dingen beschäftigt gewesen war, mit zu viel Essig verdorben hatte, erbot sich Cadan, den Abwasch zu übernehmen. Er hoffte, Ione und ihre Brut auf diese Weise loszuwerden. Doch weit gefehlt. Sie blieb noch volle neunzig Minuten, setzte Cadan während dieser Zeit Leighs schnippischen Kommentaren zu seinen Spülkünsten aus und rief weitere viermal auf Lews Handy an, ehe sie endlich mitsamt ihren Töchtern verschwand.
Cadan blieb sich selbst und seinen Gedanken überlassen, und er fühlte sich dabei nicht sonderlich wohl in seiner Haut. Er war mehr als erleichtert, als das Telefon klingelte und er endlich erfuhr, wo Madlyn steckte. Weniger erleichtert war er indes darüber, dass der Anrufer mitnichten sein Vater war. Und er war regelrecht beunruhigt, als er mit einer beiläufig eingestreuten Frage in Erfahrung brachte, dass sein Vater auf der Suche nach Madlyn noch nicht einmal bei dem Anrufer vorbeigeschaut hatte. Er war kurz davor, die Nerven zu verlieren – ein Zustand, über den er lieber gar nicht nachdenken wollte. Als sein Vater kurz nach Mitternacht nach Hause kam, war Cadan entsprechend sauer auf ihn, weil er dieserart Gefühle in ihm hervorgebracht hatte.
Er hatte vor dem Fernseher gesessen, als die Küchentür geöffnet und wieder geschlossen wurde. Dann war Lew an der Wohnzimmertür erschienen, aber im Schatten des Flurs stehen geblieben.
Ohne sich nach ihm umzudrehen, sagte Cadan knapp: »Sie ist bei Jago.«
»Was?«
»Madlyn«, erwiderte Cadan. »Sie ist bei Jago. Er hat angerufen. Er sagt, sie schläft.«
Sein Vater zeigte keinerlei Reaktion. Cadan überlief ein eisiger Schauer, ohne dass er so recht verstand, warum. Um nicht weiter über die Teilnahmslosigkeit seines Vaters nachdenken zu müssen, griff er nach der Fernbedienung und schaltete den Fernseher aus.
»Du wolltest sie doch suchen, oder nicht?« Er wartete keine Antwort ab. »Übrigens, Ione war hier. Mit den Mädchen. Also ehrlich, diese Leigh ist vielleicht ein Früchtchen, wenn du mich fragst!«
Schweigen. Also hakte Cadan nach: »Du hast sie doch gesucht?«
Lew wandte sich ab und ging in die Küche zurück. Cadan hörte die Kühlschranktür, dann wurde etwas in einen Topf gegossen. Sein Vater setzte offenbar die Milch für seine allabendliche Ovaltine auf. Für einen Augenblick verspürte auch Cadan Lust darauf – bis ihm dämmerte, dass er vielmehr daran interessiert war, seinen Vater zu beobachten und zu durchschauen. Oder vielleicht lieber doch nicht? Zögerlich begab er sich ebenfalls in die Küche.
»Ich habe Jago gefragt, was sie bei ihm verloren hat. Du weißt schon, einfach: ›Was zum Geier tut sie bei dir?‹, denn erstens: Warum sollte sie die Nacht bei Jago verbringen wollen? Er ist … was? Siebzig? Das find ich ein bisschen krass, wenn du weißt, was ich meine. Klar, er ist schon irgendwie in Ordnung, aber eben kein Verwandter oder so … Und zweitens …«
Doch ihm fiel kein Zweitens mehr ein. Er schwafelte nur noch, weil das beharrliche Schweigen seines Vaters ihn immer nervöser machte. »Jago hat erzählt, dass er oben im Salthouse Inn war, mit Mr. Penrule, als dieser Typ reinkam, zusammen mit der Frau, der das Cottage in Polcare Cove gehört. Sie hat gesagt, da draußen liege eine Leiche, und Jago hat gehört, wie sie gesagt hat, sie glaube, es sei Santo. Darum ist Jago zur Bäckerei gegangen, um Madlyn abzuholen und es ihr schonend beizubringen. Er hat nicht eher hier angerufen, weil … Keine Ahnung. Wahrscheinlich ist sie total ausgerastet, als er's ihr gesagt hat, und er hatte alle Hände voll mit ihr zu tun.«
»Hat er das gesagt?«
Cadan war so erleichtert, seinen Vater endlich reden zu hören, dass er erwiderte: »Wer? Was?«
»Hat Jago das gesagt? Dass Madlyn ausgerastet ist?«
Cadan dachte kurz nach; nicht so sehr darüber, ob Jago Reeth das tatsächlich gesagt hatte, sondern eher warum sein Vater ausgerechnet diese Frage stellte. Es
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