Doch die Sünde ist Scharlachrot
dieser Situation schon gar nicht. Sie hatte ihn nicht als Partner gewählt, damit er ihr nun eine Seite von sich zeigte, die ihr offenbarte, dass sie ihn eigentlich gar nicht kannte. Ihr Alan, ihr Alan Cheston, war ein bisschen schwach auf der Brust, sodass die Winter ihm zu schaffen machten, und manchmal so extrem vorsichtig, dass er einen in den Wahnsinn treiben konnte, Kirchgänger, gehorsamer Sohn, unsportlich. Ein Schaf, nicht der Hirte. Obendrein respektvoll. Und respektabel. Er war der Typ, der fragte: »Darf ich …?«, bevor er ihre Hand nahm. Doch jetzt …
Dieser Mensch hier war nicht der Alan, der kein einziges Sonntagsessen bei Mum und Dad versäumt hatte, seit er die Universität und die verfluchte London School of Economics verlassen hatte. Der käsige Alan mit dem schütteren Haar, der Yoga machte und Essen auf Rädern ausfuhr und niemals in den Meerwasserpool von St. Mevan Beach springen würde, ohne zuvor einen Zeh hineinzustecken, um die Wassertemperatur zu prüfen. Eigentlich sollte nicht er derjenige sein, der ihr sagte, wie die Dinge liefen.
Doch nun stand er hier und tat genau das. Er stand da, vor dem Edelstahlkühlschrank, und wirkte … unnachgiebig, dachte Kerra. Bei diesem Anblick bekam sie ein Gefühl, als hätte sie Eis in den Adern.
»Sprich mit mir«, verlangte er. Seine Stimme klang fest.
Das gab ihr den Rest. Darum antwortete sie: »Ich kann nicht.«
Es war nicht einmal das, was sie hatte sagen wollen. Doch sein Blick, der für gewöhnlich so unterwürfig war, war nun unerbittlich. Sie wusste, es kam von Macht, Wissen und Furchtlosigkeit, und eben das bewog Kerra, sich abzuwenden. Sie würde kochen, entschied sie. Sie mussten schließlich alle etwas essen.
»Na schön«, sagte Alan zu ihrem Rücken. »Dann rede ich eben.«
»Ich muss etwas zu essen auf den Tisch bringen«, erklärte sie. »Wir müssen zusehen, dass wir bei Kräften bleiben, sonst wird alles nur noch schlimmer. In den nächsten Tagen wird viel zu regeln sein. Vorkehrungen, Telefonate. Irgendjemand muss meine Großeltern anrufen. Santo war ihr Liebling. Ich bin das älteste von ihren Enkelkindern – wir sind übrigens siebenundzwanzig alle zusammen, und ist das nicht obszön, wenn man an die Bevölkerungsexplosion und all so was denkt? –, aber Santo war ihr Liebling. Wir waren oft bei ihnen, Santo und ich. Manchmal für einen Monat. Einmal sogar neun Wochen. Sie müssen es irgendwann erfahren, und mein Vater wird sie nicht anrufen. Er und Granddad reden nicht mehr miteinander. Nicht, wenn es nicht unbedingt sein muss.«
Sie griff nach einem Kochbuch. Sie besaß eine ansehnliche Sammlung davon, die zwischen Buchstützen auf der Arbeitsplatte stand und die sie bei ihren zahlreichen Kochkursen angehäuft hatte. Einer der Kernes hatte schließlich lernen müssen, gesunde, preiswerte und schmackhafte Mahlzeiten für die großen Besuchergruppen von Adventures Unlimited zusammenzustellen. Natürlich würden sie beizeiten einen Koch einstellen, aber es war günstiger, wenn jemand anderes als er den Speiseplan erstellte. Kerra hatte sich für diese Aufgabe freiwillig gemeldet. Sie interessierte sich nicht für die Dinge, die in einer Küche vonstatten gingen, aber sie wusste, auf Santo konnten sie nicht bauen, und sich auf Dellen zu verlassen, wäre lächerlich gewesen. Ersterer konnte zwar in bescheidenem Maßstab passabel kochen, doch er ließ sich zu leicht ablenken, sei es von einem Popsong im Radio oder dem Anblick eines Tölpels, der in Richtung Sawsneck Down flog. Und was Letztere betraf: Alles an Dellen konnte sich von einer Sekunde auf die andere komplett ändern, einschließlich ihrer Bereitschaft, sich in familiären Angelegenheiten zu engagieren.
Kerra schlug das Kochbuch auf und blätterte nach etwas Kompliziertem. Etwas, was ihre gesamte Aufmerksamkeit erfordern würde. Sie suchte nach einer imposanten Zutatenliste; was sie nicht im Haus hatten, würde sie Alan bei Blue Star holen schicken. Und wenn er sich weigerte, würde sie selbst gehen. So oder so würde sie beschäftigt sein, und genau das brauchte sie jetzt.
»Kerra«, sagte Alan.
Sie ignorierte ihn. Sie entschied sich für Jambalaya mit Naturreis und grünen Bohnen, gefolgt von einem süßen Auflauf. Es würde Stunden dauern, das zuzubereiten. Hühnchen, Würstchen, Krabben, grüne Paprika, Muschelfond … Die Liste war schier endlos. Kerra beschloss, genug für die ganze Woche zu kochen. Die Ablenkung würde ihr guttun, und sie alle
Weitere Kostenlose Bücher