Doch die Sünde ist Scharlachrot
dass etwas nicht stimmte, und sie hatte zu wissen verlangt, was geschehen war. Nicht um von der naheliegenden Frage abzulenken, wo sie all die Stunden gesteckt hatte – sie war nicht der Meinung, dass dies irgendwen etwas anging –, sondern weil etwas passiert war, was jedwede Neugier bezüglich ihres Tagesablaufs überschattete. Er hatte sich bemüht, sie nach oben ins Wohnzimmer zu führen, doch sie hatte sich nicht von der Stelle gerührt. Also war er dort, an Ort und Stelle, mit der Sprache herausgekommen.
Sie war zur Treppe gegangen. Auf der untersten Stufe hatte sie kurz innegehalten und das Geländer umklammert, als brauchte sie Halt. Dann war sie hinaufgestiegen.
Ben stellte den Tee mit Milch und Zucker neben sie auf den Fußboden, ehe er sich auf die Bettkante setzte.
Sie sagte: »Du gibst mir die Schuld. Ich kann es förmlich riechen, Ben.«
»Ich gebe dir nicht die Schuld«, widersprach er. »Ich weiß nicht, wie du darauf kommst.«
»Weil wir hier sind. In Casvelyn. Das war doch nur meinetwegen.«
»Nein. Das war für uns alle. Außerdem hatte ich auch die Nase voll von Truro. Das weißt du doch.«
»Du wärst bis in alle Ewigkeit in Truro geblieben.«
»Das stimmt nicht, Dellen.«
»Und wenn du die Nase voll hattest – was ich nicht glaube –, hatte es nichts mit dir zu tun. Oder mit Truro. Oder irgendeiner anderen Stadt. Ich kann deinen Abscheu spüren, Ben. Er stinkt wie eine Kloake.«
Er schwieg. Eine Windbö erfasste das Gebäude und ließ die Fenster klirren. Ein Sturm braute sich zusammen. Ben kannte die Anzeichen. Der Wind war auflandig und würde schwereres Wetter vom Atlantik hereinbringen. Sie hatten die Sturmsaison noch nicht hinter sich.
»Ich selbst trage die Schuld«, gestand er. »Wir haben gestritten. Ich habe Dinge zu ihm gesagt …«
»Oh, das kann ich mir vorstellen. Du Heiliger. Du verfluchter Heiliger.«
»Es ist nichts Heiliges daran, konsequent zu sein und zu akzeptieren …«
»Das war nicht das Problem zwischen dir und Santo. Denk nicht, ich wüsste das nicht! Du bist doch wirklich ein Drecksack!«
»Du weißt genau, wie es dazu gekommen ist.« Ben stellte seinen Becher auf den Nachttisch. Dann schaltete er die Lampe ein. Sollte sie ihn anschauen, wollte er, dass sie sein Gesicht sah und seinen Blick las. Sie sollte wissen, dass er die Wahrheit sagte. »Ich habe ihn gewarnt. Er hätte vorsichtiger sein müssen. Ich habe ihm erklärt, dass Menschen real sind und kein Spielzeug. Ich wollte ihm vor Augen führen, dass sein Leben nicht nur daraus besteht, seinem Vergnügen nachzujagen.«
Ihre Stimme war voller Verachtung. »Als ob er das getan hätte.«
»Du weißt, dass er das tut. Er kann gut mit Menschen umgehen, mit allen Menschen. Aber er darf diese … Gabe nicht missbrauchen, um ihnen Unrecht zu tun oder sie auszunutzen. Aber er will nicht einsehen …«
»Will? Er ist tot, Ben. Es gibt kein will mehr.«
Ben dachte, sie würde anfangen zu weinen, aber das tat sie nicht. »Es ist keine Schande, seine Kinder zu lehren, das Richtige zu tun, Dellen«, erklärte er.
»Das, was du für das Richtige hältst, ja? Nicht seine Definition, sondern deine. Er sollte dein Abbild werden, nicht wahr? Aber er war nicht wie du, Ben. Und nichts hätte ihn je zu deinem Abbild machen können.«
»Das weiß ich.« Ben spürte das unerträgliche Gewicht dieser Worte. »Glaub mir, das weiß ich.«
»Das weißt du nicht, und das hast du auch nie gewusst. Und damit konntest du nicht umgehen. Du musstest ihn unbedingt zu dem formen, was du haben wolltest.«
»Dellen, ich weiß, dass ich schuld bin. Denkst du, das wäre mir nicht klar? Ich trage die Schuld hierfür ebenso wie …«
»Nein!« Sie setzte sich auf die Knie auf. »Wage es ja nicht!«, schrie sie. »Fang jetzt bloß nicht wieder damit an, denn wenn du das tust … Ich schwöre, wenn du das tust … Wenn du es auch nur erwähnst … davon anfängst … wenn du versuchst … wenn du …« Sie konnte nicht weitersprechen. Völlig unvermittelt griff sie nach dem Becher, den er auf den Boden gestellt hatte, und warf ihn nach Ben. Der Becherrand traf sein Brustbein, und heißer Tee brannte auf seiner Haut. »Ich hasse dich!«, schrie sie. Und dann noch lauter und immer lauter: »Ich hasse dich! Ich hasse dich! Ich hasse dich!«
Er ließ sich vom Bett auf den Boden fallen und packte sie. Sie schrie ihm immer noch ihren Hass entgegen, als er sie an sich zog, und ihre Fäuste trommelten auf seine Brust, sein
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