Doch die Sünde ist Scharlachrot
Angst.«
»Blödsinn. Du bist wütend, weil du Angst hast. Aber Wut ist einfacher. Sie kommt dir näherliegend vor.«
»Du hast doch keine Ahnung, wovon du redest.«
»Mag sein. Aber dann erklär es mir.«
Sie konnte nicht. Zu viel stand auf dem Spiel, um zu reden. Zu viel gesehen, zu viel passiert, über zu viele Jahre. Sie war einfach unfähig, Alan das alles zu erklären. Er musste ihr einfach glauben und entsprechend handeln.
Dass er das nicht getan hatte und sich auch jetzt noch weigerte, es zu tun, bedeutete, dass die Totenglocke für ihre Beziehung läutete. Kerra redete sich ein, dass schon allein aus diesem Grund nichts mehr von dem, was heute passiert war, eine Rolle spielte.
Noch während sie das dachte, erkannte sie, dass sie sich selbst belog. Aber auch das spielte keine Rolle mehr.
Selevan Penrule hielt das alles für Humbug. Trotzdem nahm er seine Enkelin bei den Händen. Sie saßen sich an dem schmalen Tisch im Caravan gegenüber, und Tammy schloss die Augen und begann zu beten. Selevan hörte nicht richtig hin, aber er erfasste in etwa, worum es ging. Er richtete seine Aufmerksamkeit auf die Hände seiner Enkelin. Sie waren trocken und kühl, aber so dürr, dass es ihm vorkam, als könnte er sie zermalmen, wenn er nur ein wenig fester zupackte.
»Sie isst nicht richtig, Vater Penrule«, hatte seine Schwiegertochter ihm erklärt. Er hasste es, wenn sie ihn so nannte. ›Vater Penrule‹ hörte sich an, als wäre er ein Priester auf Abwegen. Aber er hatte Sally Joy nicht korrigiert. Er war froh, dass sie überhaupt mit ihm redeten. Weder sie noch ihr Mann hatte sich seit Ewigkeiten die Mühe gemacht. Also hatte er gebrummelt, er würde das Mädchen schon aufpäppeln. »Es liegt an Afrika, Sally Joy, verstehst du das denn nicht? Wenn ihr das Kind nach Rhodesien verschleppt …«
»Simbabwe, Vater Penrule. Wir sind derzeit in …«
»Mir ist egal, wie die es nennen. Wenn ihr sie nach Rhodesien verschleppt und sie wer weiß welchen Erlebnissen aussetzt, müsst ihr euch nicht wundern, dass es ihr den Appetit verschlägt.«
Selevan ahnte, dass er zu ruppig gewesen war, denn Sally Joy schwieg für einen Moment. Er stellte sie sich vor, da unten in Rhodesien oder wo immer sie steckten; er sah sie mit lang ausgestreckten Beinen in Rattansesseln auf der Veranda sitzen, auf dem Beistelltisch ein Glas … vermutlich Limonade, Limonade mit Schuss … Was ist es, Sally Joy? Was ist in dem Glas, womit du dir Rhodesien schöntrinkst?
Er räusperte sich vernehmlich und sagte: »Na ja, es ist ja auch egal. Schickt sie mir. Ich bring sie schon wieder auf Vordermann.«
»Du achtest darauf, dass sie isst?«
»Mit Argusaugen«, versprach er.
Und das hatte er getan. Sie hatte heute Abend neununddreißig Bissen gegessen. Neununddreißig Löffel einer Grütze, die selbst Oliver Twist zu einer bewaffneten Rebellion verleitet hätte. Keine Milch, keine Rosinen, kein Zimt, kein Zucker. Nur wässrigen Porridge und ein Glas Wasser. Nicht einmal die Koteletts und das Gemüse ihres Großvaters hatten sie in Versuchung führen können.
»… denn Dein Wille ist es, den wir suchen. Amen«, sagte Tammy, und als er die Augen öffnete, fand er ihren Blick auf sich ruhen. Ihr Ausdruck verriet Zuneigung. Hastig ließ er ihre Hände los.
»Das ist verdammter Blödsinn«, erklärte er barsch. »Das weißt du hoffentlich, oder?«
Sie lächelte. »Du hast es mir oft genug gesagt.« Sie lehnte sich bequem zurück, als wartete sie darauf, dass er es ihr noch einmal sagte, und stützte das Kinn auf eine Hand.
»Wir beten doch schon vor dem verfluchten Essen«, schimpfte er. »Warum müssen wir danach noch mal beten?«
Sie leierte ihre Standardantwort herunter, aber nichts wies darauf hin, dass sie dieser Diskussion müde wurde, die sie mindestens zweimal wöchentlich führten, seit sie zu ihm gekommen war. »Zu Beginn sprechen wir ein Dankgebet. Wir danken Gott für unser Essen. Und dann am Ende beten wir für diejenigen, die nicht genug zu essen haben, um sich zu ernähren.«
»Wenn sie noch leben, haben sie ja offenbar doch genug, um sich zu ernähren«, konterte er grantig.
»Granddad, du weißt genau, was ich meine. Es gibt einen Unterschied zwischen so gerade noch am Leben sein und ausreichender Ernährung. Ausreichende Ernährung bedeutet mehr. Es bedeutet, genügend Nährstoffe zu sich zu nehmen, um handlungsfähig zu sein. Nimm zum Beispiel den Sudan …«
»Jetzt warte mal, Missy! Und rühr dich nicht vom
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