Doch du wirst nie vergessen: Roman (German Edition)
wenn sie nicht erfährt, wo ihre Tochter ist. Du weißt, dass sie bei sehr schlechten Menschen gelandet ist!«
»Ich kann nichts anderes als das hier«, sagte Cosette leise, und Tränen stiegen ihr in die Augen. »Meine Mutter auch krank. Jetzt kann ich Geld schicken, aber wenn ich Arbeit verliere, stirbt sie vielleicht.«
Anscheinend musste er ihr mehr Geld bieten. Noah zückte seine Brieftasche und holte weitere fünfzig Francs heraus. »Hier, das ist für deine Mutter. Aber sag mir bitte, was ich wissen muss, Cosette! Ich verspreche dir, niemandem zu verraten, dass du mir geholfen hast.«
Jetzt starrte sie das Geld an, nicht ihn. Vielleicht überlegt sie, ob es genug ist, um Paris zu verlassen und für immer in ihr Dorf zurückzukehren, dachte Noah.
»Ändere dein Leben«, drängte er sie. »Gib diese Arbeit endgültig auf. Gott wird dir beistehen, wenn du hilfst, Belle zu retten.«
Auf ihrem Gesicht spiegelte sich ihr innerer Konflikt wider. Sie wollte das Geld, vielleicht wollte sie sogar das Richtige tun, um anderen jungen Mädchen zu helfen, aber sie hatte panische Angst.
»Es gibt nichts, wovor du dich fürchten müsstest. Niemand wird erfahren, dass ich die Information von dir habe. Hab Mut, Cosette, der kleinen Belle und anderen wie ihr zuliebe.«
Sie seufzte schwer und sah ihm in die Augen. »La Celle-Saint-Cloud«, sagte sie. »Am Ende des Dorfs steht großes Haus mit großem Steinvogel am Tor. Fragen Sie nach Lisette. Sie ist eine gute Frau, eine Krankenschwester. Aber sie sagt vielleicht nicht viel, sie hat kleinen Jungen. Sie versprechen, meinen Namen nicht zu sagen?«
»Versprochen, Cosette«, sagte er, drückte ihr das Geld in die Hand und gab ihr einen Kuss. »Steig aus diesem Gewerbe aus«, sagte er noch einmal. »Geh nach Hause und kümmere dich um deine Mutter, heirate einen Bauern und bekomm viele Kinder. Finde dein Glück!«
Sie legte ihre Hände auf seine Schultern und stellte sich auf die Zehenspitzen, um ihn auf beide Wangen zu küssen.
»Ich bete, dass Sie finden Belle und sie wird wieder glücklich. Für die meisten von uns gibt es keinen Weg zurück.« Tränen quollen aus ihren Augen und liefen ihr übers Gesicht. Noah musste an Millie denken und fühlte sich elend. Millie hatte einmal etwas ganz Ähnliches gesagt. Damals hatte er es nicht verstanden, aber jetzt wusste er, was sie gemeint hatte.
Am nächsten Morgen machte sich Noah in aller Frühe auf den Weg nach La Celle-Saint-Cloud, einem Ort im Südwesten von Paris. Wie er in Erfahrung gebracht hatte, lag er ungefähr vierzehn Meilen außerhalb von Paris, nicht weit von Versailles entfernt, und war glücklicherweise per Bahn zu erreichen. Noah hatte in seinem Reiseführer nachgeschlagen, um ein paar Hintergrundinformationen zu bekommen, aber abgesehen von Landwirtschaft fand darin nur ein riesiges altes Herrenhaus Erwähnung, das Château de Beauregard.
Es wehte ein frischer Wind, und die Luft war herbstlich kühl, und Noah wünschte, er hätte daran gedacht, einen Mantel mitzunehmen. Als er inmitten des Gedränges auf dem überfüllten Bahnsteig auf seinen Zug wartete, erschauerte er bei dem Gedanken, dass seit Belles Verschwinden mittlerweile zwanzig Monate vergangen waren. »Wenn du heute nichts Neues erfährst, musst du aufgeben«, sagte er sich. »Du kannst diesen Kreuzzug nicht ewig weiterführen.«
Als Noah durch La Celle-Saint-Cloud spazierte, war er sehr angetan von dem hübschen Hauptplatz, wo alte Männer saßen und ihre Pfeife rauchten und Hausfrauen geschäftig umhereilten, um Brot, Fleisch und Gemüse einzukaufen. Nach dem hektischen Getriebe in Paris tat es gut, wieder einmal Ruhe und Frieden zu genießen.
Das Haus, das Cosette meinte, fand er erst, nachdem er zwei Straßen bis zum Ortsrand gefolgt war und nur kleine Häuser entdeckt hatte. Beim dritten Versuch hatte er mehr Glück. Als er am Ende der Straße ein großes Haus entdeckte, das einsam und abgelegen am Ortsende stand, wusste er, dass er fündig geworden war.
Auf einem der Torpfosten kauerte ein Steinadler, und ein Rest zerbröckelten Steins auf dem anderen verriet, dass sich hier einmal das Gegenstück befunden hatte. Das Haus war mindestens hundert Meter von seinem nächsten Nachbarn entfernt und von offenem Land umgeben. In der Ferne pflügte ein Mann die Erde. Vögel kreisten über ihm, und obwohl das ein schönes Bild war, streifte Noah der Gedanke, dass die Gegend auf jemanden, der in diesem Haus festgehalten wurde, erschreckend
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