Doch du wirst nie vergessen: Roman (German Edition)
Filzhüte, wenn es sehr kalt war, Pelzmützen. Eswar vorhersehbar, was die Damen zur jeweiligen Jahreszeit kaufen würden. So ist es heute nicht mehr.«
Ein wenig später ging Belle nach Hause, und an diesem Abend konnte sie an nichts anderes als an Hüte denken. Sie fand etwas Papier und einen Bleistift und zeichnete mit Feuereifer drauflos, aber irgendwie wirkte keiner ihrer Entwürfe gelungen.
Drei Tage später, nachdem sie fast jede freie Minute mit Zeichnen verbracht hatte, ging sie Miss Frank besuchen.
»Ich kriege es irgendwie nicht richtig hin«, gestand sie der alten Dame. »Ich glaube, ich müsste erst einmal wissen, wie man einen Hut anfertigt.«
Miss Frank sah Belle eine Weile schweigend an. »Solange die Geschäfte so mäßig gehen, kann ich mir keine Gehilfin leisten«, sagte sie schließlich. »Aber wenn Sie lernen wollen, wie man Hüte macht, zeige ich es Ihnen gern.«
»Wirklich?«, fragte Belle atemlos. »Ich würde nichts lieber tun als das!«
Vom dem Morgen an, als Belle sich zum ersten Mal bei Miss Frank einstellte und von ihr die Aufgabe erhielt, einen Glockenhut aus Filz auf einem Block zu dämpfen, regte sich wieder Hoffnung in ihr. Hüte anzufertigen war ein achtbares Gewerbe; wenn sie es erst einmal beherrschte, konnte sie eine ordentliche Anstellung finden. Und selbst wenn der Weg dahin weit war, hatte sie auf einmal wieder einen Grund, morgens aufzustehen, einen anderen Lebenszweck, als einfach nur darauf zu warten, dass Faldo auftauchte.
Sie lernte schnell. Miss Frank fand, dass sie geschickte Hände und eine natürliche Begabung hatte. Und die alte Dame war eine gute Lehrerin, und ihr lag ebenso daran, ihre Kenntnisse weiterzugeben, wie Belle darauf brannte, sich diese anzueignen. Aber Belles neue Rolle als Lehrling barg ein gewisses Risiko. Miss Frank war neugierig, und dasselbe galt für die Stammkunden, die schon seit Jahren in den Laden kamen. Sie wollten wissen, warum, wann und wie Belle nach Amerika gekommen war, wo sie wohnte und wovonsie lebte. Auch wenn sie es nicht direkt aussprachen, ihre Augen stellten diese Fragen, und Belle nahm an, dass sie Miss Frank löcherten, wenn sie selbst nicht im Geschäft war.
Es fiel Belle nicht leicht zu lügen. Sie hatte Miss Frank erzählt, dass ihr Vormund sie nach dem Tod ihrer verwitweten Mutter aufgenommen hätte, aber da seine Frau und seine Kinder Belle nicht im Haus haben wollten, hätte er ihr eine eigene Unterkunft besorgt. Nicht einmal in ihren eigenen Ohren klang es plausibel, dass ein Vormund von einem jungen Mädchen erwartete, mutterseelenallein in einer fremden Stadt zu leben. Aber Miss Frank schien es ihr abzunehmen, denn sie schnalzte missbilligend mit der Zunge und erklärte, sie fände das schockierend. Ihr Mitgefühl machte es Belle noch schwerer. Sie wünschte so sehr, sie könnte die Wahrheit sagen und sich alles von der Seele reden. Aber so freundlich Miss Frank auch war, weltgewandt und abgeklärt war sie nicht. Sie war eine eifrige Kirchgängerin und alte Jungfer, die wahrscheinlich noch nie geküsst worden war, geschweige denn sexuelle Erfahrungen gemacht hatte. Eine Hure würde sie in ihrem schmucken, kleinen Laden nicht dulden; sie könnte sogar denken, Belle hätte sich bei ihr eingeschmeichelt, um sie auszurauben. Dass ihr neues Lehrmädchen die Mätresse eines verheirateten Mannes war, wäre für sie durch und durch verabscheuungswürdig; vielleicht würde sie Belle sogar bei der Polizei melden, und dann würde Martha mit Sicherheit erfahren, wo sie sich aufhielt.
Deshalb gab sich Belle verschlossen und bemühte sich, Miss Frank und ihren Kundinnen möglichst wenig mitzuteilen, während sie gleichzeitig wirklich hart arbeitete, um sich alles einzuprägen, was ihr beigebracht wurde, und abends versuchte, selbst Hüte zu entwerfen.
Sie erzählte Faldo nichts von ihrem neuen Hobby, weil sie wusste, dass es ihm nicht gefallen würde. Aber weil ihr die Tätigkeit in Miss Franks Laden so viel Freude machte, gab sie sich noch mehr Mühe als früher, ihm zu gefallen.
»Erzähl mir, wo du diese Woche warst«, bat sie ihn zum Beispiel,nachdem sie ihm einen Mint Julep gemacht hatte, einen Drink mit Bourbon, den er sehr gern hatte. Gelegentlich erzählte er ihr, dass er in St. Louis oder noch weiter weg gewesen war, aber meistens ging er nicht auf ihre Frage ein, sondern trank seinen Mint Julep und sagte, es wäre Zeit fürs Bett.
Eines Abends fragte sie ihn, warum er sich nicht mehr mit ihr unterhalten
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