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Doch du wirst nie vergessen: Roman (German Edition)

Doch du wirst nie vergessen: Roman (German Edition)

Titel: Doch du wirst nie vergessen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lesley Pearse
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Germaine war Franzose, aber seine Frau Avril stammte aus Amerika, und sie wollten nach Frankreich zu seiner Familie reisen. Belle hatte nur einen kurzen Blick auf die beiden erhascht. Avril war etwa Mitte dreißig, ihr Ehemann mindestens zehn Jahre älter. Aber obwohl sie mit dem Ehepaar vermutlich kaum Kontakt haben würde, war sie froh, dass sich wenigstens noch eine andere Frau an Bord befand. Als ihr der Captain den Weg zu ihrer Kabine zeigte, war sie von etlichen Mitgliedern der Crew unverhohlen angestarrt worden. Die Männer hatten alle ungepflegt, schmutzig und verwegen gewirkt, und Belle beschloss, ihre Tür ständig versperrt zu lassen.
    Am dritten Tag an Bord der Kentucky Maid hatte Belle sich eingewöhnt und festgestellt, dass die anrüchig wirkende Crew ein buntes Völkergemisch war. Ungefähr die Hälfte waren Schwarze, der Rest Cajuns aus Louisiana, Mexikaner, Chinesen, Iren und Brasilianer, und der Koch war Italiener. Bisher waren alle erstaunlich höflich zu ihr gewesen, vielleicht weil der Kapitän ihnen erzählt hatte, Belle sei die Tochter eines Freundes.
    Nach dem Frühstück ging sie eine Stunde an Deck spazieren, holte dann Kaffee aus der Kombüse und brachte ihn Captain Rollins, um zu sehen, ob er irgendwelche Aufträge für sie hatte. Bis jetzt hatte er noch nicht viel von ihr verlangt; fast hatte Belle den Eindruck, als wüsste er nicht, womit er sie beschäftigen sollte. Sie hatte ein paar Hemdknöpfe angenäht, seine Kabine aufgeräumt und Gino, dem Koch, geholfen, für das Abendessen Gemüse zuzubereiten, aber mehr gestand er ihr nicht zu. Immerhin ging im Gespräch mit dem Captain ein Teil des Tages vorbei, und sie hatte das Gefühl, dass er sich über ihre Gesellschaft freute.
    Nachmittags saß sie meist in dem schäbigen Raum, der als Offiziersmesse bezeichnet wurde, und las. Bücher gab es zu Hunderten, in Regalen und Kartons und auf dem Boden gestapelt, undmanche waren so abgegriffen, dass sie drohten auseinanderzufallen. Hier nahmen Belle, Mr. und Mrs. Germaine und die fünf Offiziere auch ihre Mahlzeiten ein. Und obwohl die Messe abgewohnt und vollgeräumt war, war sie anheimelnd und gemütlich.
    Arnaud Germaine ignorierte Belle geflissentlich, und sie hatte das Gefühl, dass er über ihren Hintergrund im Bilde war. Seine Frau Avril musterte sie neugierig, war aber unverkennbar angewiesen worden, nicht mit ihr zu reden. Das kam Belle durchaus entgegen, weil sie keine Lust hatte, irgendwelche Fragen zu beantworten. Captain Rollins durfte sie ausfragen und tat es auch, aber er tat es auf eine nette Art und mit einem freundlichen Augenzwinkern. Sie hatte ihm bei ihren morgendlichen Plaudereien mehr über sich erzählt als beabsichtigt, aber sogar als sie gestand, in Marthas Freudenhaus gearbeitet zu haben, behielt Rollins seine gelassene, leicht amüsierte Miene bei, und sie hatte den Eindruck, dass er nie anders reagieren würde, egal, was sie ihm erzählte.
    Das Schiff sollte in Bermuda anlegen, um Wasser an Bord zu nehmen, dann den Atlantik nach Madeira überqueren und schließlich den Zielhafen Marseille anlaufen. Am Abend bevor sie Bermuda erreichten, teilte der Kapitän Belle mit, dass sie am nächsten Tag an Bord bleiben müsse. »Die Behörden dort sind extrem wachsam«, erklärte er. »Kein Wunder, es sind ja auch Engländer«, fügte er mit einem trockenen Lächeln hinzu. »Sie denken vielleicht, Sie könnten in Ihrer Notlage das Mitleid Ihrer Landsleute erwecken, aber täuschen Sie sich nicht. Man würde Sie unverzüglich nach New Orleans zurückschicken und mich belangen. Bleiben Sie also in Ihrer Kabine.«
    In ihrer Kabine wurde es drückend heiß, sobald das Schiff angelegt hatte. Belle wusste, dass es auf Bermuda solche Strände gab wie auf dem Bild, das sie in New Orleans gelassen hatte, und sie wünschte inständig, sie könnte sie sehen. Aber stattdessen machte sie das Bullauge weit auf, zog sich bis auf ihr Unterhemd aus und legte sich in ihre Koje, um den Geräuschen zu lauschen, die von der tropischen Insel hereinwehten. In der Ferne trommelte jemandauf Steeldrums, und sie konnte eine Frau rufen hören, die sich fast so anhörte wie die Straßenhändler zu Hause in London. Den Hafen konnte Belle durch das Bullauge nicht sehen, weil es zur See gewandt war, aber als das Schiff anlegte, hatte sie dunkelhäutige Frauen in farbenfrohen Gewändern erspäht, die Obstkörbe auf ihren Köpfen balancierten. Sie hatte Männer in Langbooten, die aussahen, als wären sie aus

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