Doch du wirst nie vergessen: Roman (German Edition)
sie zu.
Er hatte das Licht im Rücken, deshalb erkannte sie Jimmy erst, als er etwas sagte. Die gesamte Polizei von London war nicht imstande gewesen, Kent zu erwischen und festzunehmen, aber Jimmy hatte es ganz allein geschafft.
»Mein Jimmy – ein Held«, murmelte sie.
Er rief gerade etwas durch das Fenster nach unten. Anscheinend sollten die Polizisten durch die Hintertür das Haus stürmen. »Schlagt sie ein!«, brüllte er. »Ich kann diesen Bastard nicht allein lassen. Und einer von euch muss Miss Cooper befreien. Sie ist gefesselt.«
Plötzlich lösten sich der üble Geruch im Haus und das Grauen, das Belle durchlebt hatte, in Luft auf. Es war, als würde sie auf Wolken schweben und ihre Vergangenheit vor sich ausgebreitet sehen. Kent war der Mann, der alles ausgelöst hatte, und nun, da er gefangen war, war sie frei. Frei, alles hinter sich zu lassen, frei, ein Leben ihrer Wahl zu führen.
Jimmy hatte recht, wenn er sagte, dass sie eines Tages in all den schlimmen Dingen, die sie erlebt hatte, etwas Gutes erkennen würde. Sie hatte viel über die Menschen gelernt, die guten und die schlechten und all jene, die ein bisschen von beidem waren. Sie wusste jetzt, dass Habgier Menschen um den Verstand bringen konnte, und dass Lust ohne Liebe niemanden wirklich zu befriedigen vermochte.
Durch und durch schlechte Menschen waren eher selten, stellte sie fest. Kent gehörte dazu und Madame Sondheim und Pascal auch.
Menschen wie Martha, Sly und vielleicht auch Madame Albertine waren wahrscheinlich durch Habgier und schlechten Umgang zu dem geworden, was sie waren.
Aber dafür gab es viel mehr gute Menschen, nicht nur Mog und Jimmy, sondern auch Garth, Lisette, Gabrielle, Philippe, Noah und Etienne. Vielleicht würde manch einer dagegenhalten, dass die meisten von ihnen nicht hundertprozentig gut waren, aber sie taten das Richtige, wenn es darauf ankam.
Belle hörte das Splittern von Holz, dann das beruhigende Stampfen schwerer Stiefel auf der Treppe. Jetzt war alles ausgestanden. Jimmy und sie würden sehr bald nach Hause gehen, und sie konnte ein neues Leben anfangen.
EPILOG
Der Hochzeitsmarsch setzte ein, und als Belle den Kopf wandte, um zu sehen, wie Mog an Jimmys Arm in die Kirche kam, stiegen ihr Tränen der Rührung in die Augen. Sie hatte Mog schon in ihrem Brautputz gesehen, als sie ihr beim Anziehen half. Sie hatte die lange Reihe winziger Knöpfe am Rücken ihres blassblauen Kleids zugeknöpft und ihr den blauweißen Hut, den sie selbst für Mog angefertigt hatte, aufgesetzt. Aber sie jetzt errötend und strahlend wie ein junges Mädchen zum Altar schreiten zu sehen, war ergreifend.
Es war Anfang September und ein herrlich warmer, sonniger Tag. Draußen vor der All Saints-Kirche in Blackheath machten Familien ein Picknick, gingen verliebte Pärchen spazieren und saßen alte Leute auf Bänken und genossen den Sonnenschein. Und ein Stück weiter die Straße hinunter wartete auf Garth und Mog, demnächst Mr. und Mrs. Franklin, das Railway Inn , der Gasthof ihrer Träume.
Seit drei Monaten bewohnten Mog und Belle jetzt ein paar Zimmer in einer ruhigen, baumgesäumten Straße in Lee Park, damit sich Mog und Garth hier in Blackheath trauen lassen konnten. Garth und Jimmy waren einstweilen im Ram’s Head geblieben, nicht nur, um das Lokal zu verkaufen und zu warten, bis alle Formalitäten des Kaufs des Railway Inn erledigt waren, sondern auch der Schicklichkeit wegen. In Seven Dials machte sich niemand um solche Dinge Gedanken. Aber ihnen allen war bewusst, dass der Neuanfang in einer achtbaren Gegend bedeutete, dass auch sie selbst achtbar sein mussten.
Belle hatte gedacht, Mog und ihr würde es vielleicht schwerfallen, sich den Umgangsformen ehrbarer Bürger anzupassen, aber zu ihrer Überraschung stellte sich diese Befürchtung als unbegründetheraus. Wenn jemand fragte, erzählte Mog, dass sie im selben Haus gearbeitet hatten, sie als Haushälterin und Belle als Dienstmädchen, und wenn sie allein waren, lachten sie oft darüber, weil es in gewisser Weise der Wahrheit entsprach. Mog hatte schon immer gute Manieren gehabt und diese auch Belle beigebracht, deshalb gab es nicht allzu viele Fallstricke für sie. Das Einzige, woran sie sich nur schwer gewöhnen konnten, war der Umstand, dass ihr Hausherr und die anderen Herren, mit denen sie Kontakt hatten, sie behandelten, als wären sie zarte Geschöpfe ohne Gehirn oder eine eigene Meinung. Aber drei Monate, in denen sie kaum mehr tun konnten als
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