Doch du wirst nie vergessen: Roman (German Edition)
Entführer sein Opfer bei sich hat, desto weniger wahrscheinlich ist es, dass er es tötet.«
»Aber bis jetzt ist es noch nicht lang her, nicht mal vierundzwanzig Stunden«, sagte Jimmy. »Und wenn er sie getötet hat, lässt er ihre Leiche wahrscheinlich nicht an einer Straßenecke in Seven Dials liegen, wo die Polizei sie leicht finden kann, oder?«
Noah schluckte und dachte kurz nach. »Nein, natürlich nicht,aber die Polizeireviere aus den verschiedenen Bezirken stehen miteinander in Verbindung, und wir müssen einfach hoffen, dass Belle mit jeder Stunde, die vergeht, ohne dass eine Leiche gefunden wird, ein bisschen mehr in Sicherheit ist. Aber jetzt muss ich gehen. Ich möchte, dass du mit deinem Onkel sprichst. Er soll versuchen, sich an alles zu erinnern, was er über den Falken gehört hat, Lokale, die er aufsucht, wer seine Freunde sind – alles könnte von Nutzen sein. Könntest du das vielleicht für mich aufschreiben?«
»Ich tue alles, was ich kann«, sagte Jimmy und heftete seine braunen Augen auf Noah. »Sie halten mich auf dem Laufenden, ja? Ich kann nicht mehr schlafen, bis ich weiß, dass Belle nichts passiert ist.«
»Du magst sie wohl sehr«, zog Noah ihn auf, in der Hoffnung, die Stimmung zu heben.
»Ja«, sagte Jimmy offen. »Sie ist das netteste, hübscheste Mädchen, das ich kenne. Ich werde keine Ruhe geben, bis sie wieder in Sicherheit ist.«
KAPITEL 7
Belle schrie aus Leibeskräften, wurde aber sofort von Kent zum Schweigen gebracht. Er presste seine Daumen auf ihre Kehle und schob sein Gesicht so nah an ihres heran, dass sein Schnauzbart ihre Nase streifte.
»Sei still!«, knurrte er. »Oder ich bringe dich auf der Stelle um!«
»Aber was wollen Sie von mir?«, jammerte sie, als er seinen Griff wieder lockerte. »Ich habe Ihnen doch nichts getan!«
»Du weißt, wer ich bin, das reicht«, sagte er, drückte ihr Gesicht wieder auf den Sitz und hielt sie fest, während sein Begleiter ihre Beine an den Knöcheln zusammenband. Dann riss er sie hoch und fesselte ihre Handgelenke.
Nichts in Belles Leben war auch nur annähernd so schlimm gewesen wie diese Fahrt als Gefangene der beiden Männer durch London. Ihr Herz hämmerte laut, sie war in kalten Schweiß gebadet, und ihr war so schlecht, als müsste sie sich jeden Moment übergeben. Nicht einmal das, was sie empfunden hatte, als sie sah, was dieser Mann Millie antat, war so schrecklich gewesen wie das hier. Doch eine leise Stimme in ihrem Inneren sagte ihr, dass sie nichts tun oder sagen durfte, was die Männer wütend machen könnte. Sie hatte gesehen, wozu Kent imstande war, wenn er wirklich in Wut geriet.
Als die Kutsche durch die überfüllten Straßen rumpelte, hörte sie andere Wagen und Fuhrwerke und die Rufe der Straßenverkäufer, die ihre Waren an den Mann bringen wollten. Und obwohl die vertrauten Geräusche in ihr die Hoffnung weckten, gerettet zu werden, wusste sie tief in ihrem Herzen, dass die beiden Männer sie nicht entführt hätten, wenn sie nicht entschlossen wären, sie für immerzum Schweigen zu bringen. Wahrscheinlich warteten sie nur, bis sie die belebte Innenstadt hinter sich gelassen hatten. Obwohl sie vor Angst außer sich war, schrie sie nicht. Stattdessen weinte sie leise, in der Hoffnung, Mitleid zu erregen oder die Männer wenigstens dazu zu bringen, ihren Plan aufzuschieben. Vielleicht ergab sich dadurch eine Möglichkeit zur Flucht.
Es dauerte eine Weile, bis Belle auffiel, dass die Fesseln relativ lose um ihre Knöchel geschlungen waren und ihr erlaubten, kleine Schritte zu machen. Auch das weckte einen winzigen Funken Hoffnung in ihr, denn wenn sie beabsichtigt hätten, sie zu töten, hätten sie Belle fest verschnürt und zum Ort der Hinrichtung gebracht.
Aber es war nur ein sehr kleiner Funken. Immerhin war es auch möglich, dass sie vorhatten, sie in einen tiefen Wald oder eine Marsch zu bringen, wo die Kutsche nicht fahren konnte und sie ein Stück zu Fuß gehen mussten.
Die beiden Männer redeten nicht miteinander. Belle saß mit dem Gesicht zum vorderen Teil der Kutsche, neben ihr Kent, der ein Stück abgerückt war und sich ans Fenster lehnte. Er zündete sich eine Pfeife an, aber er wirkte sehr angespannt und zuckte jedes Mal zusammen, wenn der Wagen über ein Schlagloch fuhr.
Sein Gefährte, der ihr gegenübersaß, war wesentlich entspannter. Er saß mit breit gespreizten Beinen mitten auf dem Sitz und schien bei jeder Kurve und Unebenheit mitzugehen. Es war zu dunkel im Wagen,
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