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Doch du wirst nie vergessen: Roman (German Edition)

Doch du wirst nie vergessen: Roman (German Edition)

Titel: Doch du wirst nie vergessen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lesley Pearse
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Gentlemen auf der Regent Street gesehen hatte. Wahrscheinlich war er Junggeselle, allein die verdreckte Küche wies darauf hin, dass es keine Hausherrin gab. Sie fragte sich, ob er netter war als Kent und es vielleicht möglich wäre, ihn auf ihre Seite zu ziehen.
    »Bring sie nach oben, Sly«, sagte Kent brüsk, als Belle ihre Schale, die sie nicht leer gegessen hatte, wegschob.
    Der Name Sly – Schlitzohr   – ängstigte Belle, und sie schrak zurück, als der Mann zu ihr trat. Er beachtete sie nicht, zündete noch eine Kerze an und führte sie an der Hand aus der Küche.
    Weil ihre Knöchel immer noch zusammengebunden waren, dauerte es eine Weile, die Treppe hinaufzukommen, aber Sly war geduldig, was Belle ermutigte. Obwohl sie große Angst hatte, wagte sie es, mit ihm zu reden.
    »Sind Sie auch so schlecht wie Mr. Kent?«, platzte sie heraus, als sie auf dem Treppenabsatz angelangt waren. »Sie sehen nicht so aus.«
    In diesem Punkt sagte sie die Wahrheit, denn er hatte ein angenehmes Gesicht mit vielen kleinen Lachfältchen um die weichen braunen Augen. Es fiel ihr schwer, bei Männern das Alter zu schätzen, aber sie hielt ihn für einige Jahre älter als Kent.
    »Schlecht bedeutet für jeden etwas anderes«, gab er zurück, und sie glaubte ein leises Lachen in seiner Stimme zu hören.
    »Leute zu töten ist für jeden etwas Schlimmes«, sagte sie.
    »Also ich habe noch nie jemanden getötet.« Er klang ein bisschen überrascht. »Und ich habe es auch nicht vor.«
    »Und was haben Sie mit mir vor?«, fragte sie.
    Er öffnete eine Tür, führte Belle hinein und stellte die Kerze auf eine breite Fensterbank. Bis auf ein eisernes Bettgestell mit einer dünnen, ziemlich fleckigen Matratze und einem Nachttopf darunter war das Zimmer leer. Auf dem Bett lagen ein kleiner Stapel Decken und ein Kissen.
    »Du kannst dir das Bett selbst machen«, meinte er. »Ich werde dir nicht wieder die Hände fesseln, weil du hier sowieso nicht rauskannst. Das Fenster ist von außen mit Brettern vernagelt, und ich werde dich einsperren.«
    »Für wie lange?«, fragte Belle. »Und was haben Sie mit mir vor?«, wiederholte sie.
    »Das wird heute Abend entschieden«, antwortete er.
    »Wenn das Ihr Haus ist und Sie ihm geholfen haben, mich herzubringen, und er mich dann tötet, sind Sie genauso schuldig wie er«, sagte sie und sah ihn unverwandt an. Diesen Blick nannte Mog immer ihren »Bettelaugen-Blick«.
    »Und du, meine Kleine, bist für dein Alter ziemlich schlau«, sagte er mit einem schiefen Lächeln. »Das gehört wohl dazu, wenn man in einem Bordell aufwächst. Deine Mutter hat sich nicht gut um dich gekümmert; sie hätte dich wegschicken sollen. Aber vielleicht wollte sie dich ja einarbeiten.«
    Belle, die nicht wusste, was er meinte, runzelte verwirrt die Stirn.
    »Schlaf ein bisschen«, sagte er. »Gute Nacht!«
    Als die Tür ins Schloss fiel und von draußen abgesperrt wurde, brach Belle in Tränen aus. Sie war bis auf die Knochen durchgefroren, hatte keine Ahnung, wo sie war, und auch wenn die beiden sie heute Abend nicht, wie sie befürchtet hatte, vergewaltigt oder verprügelt hatten, würden sie sie morgen ganz sicher nicht heil und unversehrt nach Hause gehen lassen.
    Aber wenn sie sie töten wollten, warum hatten sie es nicht gleich getan, als sie hier angekommen waren?
    Belle hätte so gern geglaubt, dass das nicht ihre Absicht war und dass sie vielleicht ein Lösegeld für ihre Freilassung verlangen wollten. Aber viel wahrscheinlicher war, dass sie Tageslicht brauchten, um sie an den Ort zu bringen, wo sie sie töten wollten, in einen Wald oder eine Marsch, wo man ihre Leiche nie finden würde.
    Sie hatte noch nie eine Nacht fern von ihrer Mutter und Mog verbracht. Manchmal hatte sie sich unten in der Küche ein bisschen einsam und verlassen gefühlt, wenn alle anderen oben waren,aber sie hatte nie Angst gehabt, weil sie immer wusste, dass Mog gelegentlich kam, um nach ihr zu sehen.
    Aber jetzt war keine Mog da, die ihr half, das Bett zu machen, sie gut zudeckte und die Kerze auspustete. Fast blind vor Tränen suchte sie sich die zwei weichsten Decken aus, um sich zwischen sie zu legen   – Bettwäsche gab es nicht   –, legte die anderen darüber und breitete als Letztes ihren Umhang darüber aus. Auf der Bettkante hockend, langte sie nach unten und zog ihre Stiefel aus, schwang dann ihre gefesselten Beine aufs Bett und rutschte unter die Decken. Sie fühlten sich klamm an und rochen nach Schimmel, und die

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