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Doch du wirst nie vergessen: Roman (German Edition)

Doch du wirst nie vergessen: Roman (German Edition)

Titel: Doch du wirst nie vergessen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lesley Pearse
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Mädchen dort ihn mochten. Zu dieser Überzeugung kam er, weil sie ihm aufmerksam lauschten und bereit waren, ihm genau das zu geben, was er wollte, sogar wenn er schlecht gelaunt war und sehr grob mit den Mädchen umsprang. Sie beklagten sich nie und weigerten sich auch nicht, ihn zu empfangen, wenn sein Schiff das nächste Mal vor Anker ging. Es gefiel ihnen, wie er sie behandelte.
    Dann war vor zehn Jahren, als Frank achtundzwanzig war, sein Onkel Thomas, der jüngere Bruder seines Vaters, gestorben. Zu Franks Überraschung hatte er seinen Neffen als Alleinerben eingesetzt. Frank hatte keine Ahnung, warum, da er kaum Kontakt zu seinem Onkel gehabt hatte, und konnte nur mutmaßen, dass sich Thomas ebenfalls von seiner Familie schlecht behandelt gefühlt hatte und mit Frank sympathisierte.
    Thomas war kein sehr vermögender Mann gewesen; er besaß keinen großen Herrensitz auf dem Land, nur ein paar Mietskasernen in Seven Dials und ein Dutzend verkommener Häuser in Bethnal Green. Frank war entsetzt, als er zum ersten Mal den Ort sah, der » The Core « genannt wurde. Die baufälligen Gebäude in Seven Dials waren bis unters Dach mit dem elenden menschlichen Treibgut gefüllt, das in den Innenstädten der großen Metropolen strandet. Die Häuser in Bethnal Green waren genauso schlimm; selbst alsUnterkünfte für Tiere wären sie unzulänglich gewesen. Frank hielt sich die Nase zu, verschloss seine Augen vor dem fürchterlichen Anblick dieser erbärmlichen Straßen und Gassen und ging in ein anständiges Hotel.
    Aber am nächsten Tag waren alle etwaigen Bedenken, von den Mieten für derartige Behausungen zu leben, verschwunden. Ihm war klar geworden, dass er jetzt die Seefahrt aufgeben und mit einem Minimum an Anstrengung sehr angenehm leben konnte. Die Zeit bei der Marine hatte ihn hart gemacht, und er war es gewohnt, andere herumzuschubsen. Die Aussicht, in den Slums von London Hausherr zu werden, erregte ihn.
    Damals nahm er den Namen Kent an.
    In dem hübschen Dorf Charing in Kent, nicht weit von Folkestone, wo er sich dauerhaft niederzulassen gedachte, würde er als Frank Waldegrave das ruhige Leben eines achtbaren Gentleman führen. Aber in London konnte er als John Kent, der gnadenlose Vermieter, all seine Fantasien ausleben   – Hurerei, Verbrechen, Glücksspiel und Erpressung. Er brauchte keine Freunde, solange es Leute gab, die taten, was er wollte, weil sie Angst vor ihm hatten.
    Es schien eine Ironie des Schicksals, dass er gerade zu der Zeit, als er glaubte, so etwas wie Freundschaft gäbe es für ihn nicht, bei einem Kartenspiel im Hinterzimmer einer Kneipe auf der Strand Sly kennenlernte. Irgendetwas machte klick zwischen ihnen; sie verstanden sich auf Anhieb. Sly hatte einmal lachend bemerkt, der Grund dafür wäre, dass jeder von ihnen Eigenschaften hätte, die dem anderen fehlten. Vielleicht hatte er recht, denn Kent bewunderte Slys lockeren Umgang mit anderen, während Sly im Gegenzug Kents Skrupellosigkeit bewunderte.
    Was auch der Grund für ihre Freundschaft sein mochte, sie hatten beide dasselbe Ziel, auch wenn ihnen anfangs selbst noch nicht klar war, worum es ihnen ging. Aber bald stellte sich heraus, dass sie darauf aus waren, Prostitution und Glücksspiel in Seven Dials zu kontrollieren und dabei schwerreich zu werden.
    Es war Sly, der Kent den Beinamen »der Falke« gab. Er meinte,er hätte noch nie einen Mann kennengelernt, der so scharfäugig und raubtierhaft war. Und Kent gefiel es, dass der Name bald allgemeine Verwendung fand, denn er wusste, wie furchteinflößend er dadurch wirkte.
    Belle erwachte vom Krähen eines Hahns, und ihr erster Gedanke war, dass dieser Hahn verrückt sein musste, denn es war immer noch mitten in der Nacht. Aber während sie voller Angst vor dem, was der kommende Tag bringen mochte, dalag, bemerkte sie drei schmale Lichtstreifen, die in das eisige Zimmer fielen, und stellte fest, dass sie auf die Ritzen zwischen den Brettern vor dem Fenster starrte und es draußen hell war.
    Sie dachte nicht daran, dass sie an den Knöcheln gefesselt war, und fiel beinahe hin, als sie aufstand, um den Nachttopf zu benutzen. Es gelang ihr, durch den breitesten Spalt in den Brettern zu spähen, und obwohl ihr Blickfeld stark eingeschränkt war, konnte sie in der Nähe Bäume und dahinter offenes Land sehen, das stellenweise mit Schnee bedeckt war. Auf ein Mädchen aus der Stadt, das inmitten von Häusern und Straßenlärm aufgewachsen war, wirkte der Anblick düster und

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