Doch du wirst nie vergessen: Roman (German Edition)
Matratze war dünn und klumpig.
»Bitte, lieber Gott, mach, dass sie mich nicht umbringen«, betete sie und schluchzte in das Kissen. »Mach, dass Ma die Polizei dazu bringt, mich zu suchen. Ich will nicht sterben.«
Sie wiederholte das Gebet immer wieder in der Hoffnung, dass Gott sie erhören würde.
KAPITEL 8
Sly ging in die Küche zurück, nachdem er Belle in ihr Zimmer gebracht hatte. Kent saß immer noch in seinem Sessel vor dem Kamin und schien nachzudenken. Sly sagte nichts, sondern nahm eine Flasche Whisky vom Küchenschrank und schenkte zwei große Gläser ein, bevor er sich zu Kent setzte und ihm ein Glas reichte.
Belle lag mit ihrer Vermutung, dass das Haus Sly gehörte, richtig. In Wirklichkeit hieß er Charles Ernest Braithwaite, aber er hatte den Spitznamen Sly bekommen, weil er ein gerissener Glücksspieler war, der über geradezu telepathische Kräfte zu verfügen schien, die ihm sagten, welches Spiel er machen und welches er lieber lassen sollte. Wie jeder Spieler verlor er gelegentlich, aber nicht so oft wie andere und nie größere Summen.
Belle hatte sich auch nicht geirrt, als sie bei ihm Zigeunerblut vermutete. Maria, seine Mutter, war eine Roma gewesen. Sie war ihrer Familie weggelaufen und eines Abends im Winter auf dieser abgelegenen Farm bei Aylesford in Kent aufgetaucht. Frederick Braithwaite, Slys Vater, war damals vierzig und Junggeselle und mühte sich ab, nicht nur seinen Hof zu bewirtschaften, sondern gleichzeitig seine kranke Mutter zu versorgen.
Fred war kein großzügiger oder gutmütiger Mann, aber als Maria ihn bat, ihr etwas zu essen zu geben und sie in seiner Scheune übernachten zu lassen, witterte er seine Chance. Er erklärte sich unter der Voraussetzung dazu bereit, dass sie ihm half, seine Mutter zu pflegen.
Maria war genauso starrsinnig wie er. Sie war von zu Hause weggelaufen, weil ihre Familie sie zwingen wollte, einen Mann zu heiraten, den sie verabscheute. Sie brauchte nicht lang, um festzustellen, dass die meisten Leute Vorurteile gegen Zigeuner hatten und niemand ihr Arbeit oder Obdach geben würde. Eigentlich war sie nicht daran interessiert, eine kranke, alte Frau zu pflegen, die ihr nichts bedeutete, und sie wollte auch nicht in Freds Bett landen, aber sie war verzweifelt, und der Hof gefiel ihr. Sie gelangte zu der Einsicht, dass ihr Schlimmeres widerfahren könnte, als sich um eine alte Dame zu kümmern, und dass sie Fred eines Tages vielleicht gernhaben würde.
Nach vier Monaten waren sie verheiratet. Im ersten Jahr ihrer Ehe wurde Charles geboren, und die alte Dame starb friedlich in ihrem Bett.
Es mochte als Vernunftehe begonnen haben, aber Maria gab sich große Mühe, Fred eine gute Frau und Charles eine liebevolle Mutter zu sein, und sie wurden eine glückliche kleine Familie. Fred starb an einem Herzanfall, als Charles erst neunzehn war, aber Maria kümmerte sich weiter um den Hof, während ihr Sohn in der Stadt den jungen Gentleman spielen durfte.
Charles war siebenundzwanzig, als seine Mutter starb, und erst jetzt wandte er sich illegalen Geschäften zu, um mehr Geld zu machen. Der Bauernhof gehörte ihm und warf Gewinne ab, aber er war kaum an Landwirtschaft interessiert. Da er wusste, dass eine Farm eine gute Tarnung für seine fragwürdigen Nebeneinkünfte war, brauchte er nur jemanden dafür zu bezahlen, sie zu führen.
Er hatte jede seiner Unternehmungen, die in der Gesellschaft Anstoß erregt hätten, mit der Frage rechtfertigen können, ob er damit jemandem schadete. Trinken und Glücksspiel schadeten höchstens ihm selbst, auch wenn seine Mutter da vielleicht anderer Ansicht gewesen wäre. Und als er dazu überging, junge Frauen für Bordelle zu beschaffen, sagte er sich, dass er ihnen nur half. Die meisten von ihnen waren von zu Hause weggelaufen oder rausgeschmissen worden; viele waren in Waisenhäusern aufgewachsen. Ohne sein Eingreifen, fand Sly, wären sie höchstwahrscheinlich verhungert oder auf der Straße erfroren.
Er fand junge Frauen und Mädchen auf Bahnhöfen, vor Wirtshäusern, auf Märkten, einfach überall, wo sie darauf hoffen konnten, von einem freundlichen Fremden etwas zu essen oder zu trinken angeboten zu bekommen. Er war dieser freundliche Fremde. Er war tatsächlich überzeugt, dass er ihnen mehr gab als Mitgefühl und eine warme Mahlzeit; er verschaffte ihnen Arbeit in einigen der besten Freudenhäuser der Stadt.
Charles war kein grausamer Mann, und die Umstände, wie sie an dieses letzte Mädchen gekommen
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