Doch du wirst nie vergessen: Roman (German Edition)
unbedingt genauer studieren. Da es ansonsten in dem Büro nichts von Interesse zu geben schien, beschloss er, nach Hause zu gehen.
Er musste nicht denselben Weg nehmen, den er gekommen war, sondern ging die Treppe hinunter und zur Eingangstür hinaus, die erfreulicherweise eines jener neumodischen Schnappschlösser hatte, für die man keinen Schlüssel brauchte, um hinauszukommen, und die hinter ihm wieder ins Schloss fiel.
Am nächsten Morgen schlüpfte Jimmy um acht Uhr aus dem Pub, obwohl er erst knapp vor drei zu Bett gegangen war. Sein Onkel stand kaum jemals vor zehn auf, und Jimmy hoffte, bis dahin Noah Bayliss zu sehen und rechtzeitig wieder zu Hause zu sein.
Es war sehr kalt, und er lief die meiste Zeit, um sich warm zu halten. Mrs. Dumas, Noahs Zimmerwirtin, schien zwar etwas überrascht, dass ihr Untermieter so früh am Morgen Besuch bekam, sagte aber, dass Noah gerade frühstückte, und fragte Jimmy, ob er nicht auch eine Tasse Tee haben wollte.
»Ich bin heute Nacht in den Falkenhorst eingebrochen«, wisperte Jimmy Noah zu, sobald er im Frühstückszimmer war und Mrs. Dumas den Raum verlassen hatte. »Das hier habe ich gefunden«, fuhr er fort und reichte Noah den Brief des Anwalts.
»Aber das ist an einen Mr. Waldegrave adressiert«, wandte Noah ein, als er das Schreiben überflog.
»Ich glaube, das ist Kents richtiger Name«, sagte Jimmy aufgeregt, aber mit gedämpfter Stimme, da am anderen Ende des Tisches ein weiterer Mieter saß. »Wissen Sie, ich habe alte Beschwerdebriefe an einen Mr. T. Waldegrave und neuere an Kent gefunden. Wahrscheinlich ist Waldegrave sein richtiger Name, nicht Kent, und die älteren Briefe waren an seinen Vater oder irgendeinen anderen Verwandten adressiert. Aber viel Fantasie hat er bei seinem falschen Namen nicht gehabt, was?« Der Junge grinste. »Nicht, wenn er in Kent lebt! Warum hat er wohl überhaupt einen Decknamen?«
Noah lächelte. »Um schlimme Untaten zu begehen. Vielleichtsollte ich mich Warren Street nennen, weil ich in der Nähe dieser Straße wohne.«
»Und ich könnte Mr. Ramshead sein«, lachte Jimmy. »Aber sehen Sie mal, wir haben seine Adresse – Pear Tree Cottage, High Street, Charing. Vielleicht hält er Belle dort gefangen.«
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass es so einfach ist«, sagte Noah langsam und nachdenklich. »Er hat sie bestimmt nicht an einen Ort gebracht, den man so leicht entdecken kann.«
»Vielleicht nicht, aber wir können der Polizei sagen, wo er wohnt. Sie könnte es nachprüfen.«
Noah blickte in Jimmys aufgeregtes, hoffnungsvolles Gesicht und wünschte, er könnte ihm versichern, dass die Polizei alle Hebel in Bewegung setzen würde, um Belle zu finden. Aber Noahs Besuch in der Bow Street war alles andere als ermutigend gewesen. Im Grunde war er auf totales Desinteresse gestoßen. Offenbar hielt die Polizei das Verschwinden der Tochter einer Hure für belanglos.
Aber das war nicht alles. Als Noah darauf beharrte, dass Belle von einem Mann, der unter dem Decknamen »der Falke« bekannt war, entführt worden war, tat der Polizeibeamte so, als würde ihm der Name nichts sagen. Er war kein guter Lügner, denn er konnte Noah nicht in die Augen sehen und wurde ziemlich aggressiv, wie die meisten Männer, die etwas überspielen wollten. Da fast alle Erwachsenen in Seven Dials schon einmal von dem Falken gehört hatten, auch wenn sie ihm nie persönlich begegnet waren, schien es undenkbar, dass ein Polizeibeamter nichts über ihn wusste.
Unter den gegebenen Umständen mit dem Beweis, wo der Mann seinen Wohnsitz hatte, noch einmal aufs Revier zu gehen, wäre sträflicher Leichtsinn gewesen. Wenn dieser Sergeant in Kents Sold stand, wie Noah argwöhnte, würde er dem Mann einen Tipp geben, und das könnte dazu führen, dass Jimmy und sein Onkel von angeheuerten Schlägern aufs Korn genommen wurden.
»Ich denke, wir sprechen zuerst mit deinem Onkel und ziehen ihn auf unsere Seite«, sagte Noah und dachte kurz nach. »Aber wirsagen ihm nicht, dass du in Kents Büro eingebrochen ist. Sagen wir lieber, dass ich es war.«
»Können Sie gleich heute in den Pub kommen?«, bat Jimmy.
»Nicht sofort«, sagte Noah und nickte Mrs. Dumas zu, die gerade eine frische Kanne Tee und Toast für sie brachte. »Vielleicht gegen sechs, falls Garth dann Zeit hat, mit mir zu reden.«
»Dafür sorge ich schon«, versprach Jimmy. Er schnappte sich eine Scheibe Toast und bestrich sie mit Butter, während Mrs. Dumas ihm eine Tasse Tee
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