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Doch du wirst nie vergessen: Roman (German Edition)

Doch du wirst nie vergessen: Roman (German Edition)

Titel: Doch du wirst nie vergessen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lesley Pearse
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einem Geschäft oder als Hausmädchen, würden sie ihr nicht glauben. Schließlich würde niemand jemanden gewaltsam entführen, um ihm dann zu einem guten, achtbaren Leben zu verhelfen!
    Noch während sie darüber nachgrübelte, schlief sie ein.
    Belle erwachte am nächsten Morgen um zehn frisch und munter. Es schien seltsam, dass draußen von der Straße kaum ein Laut zu hören war. Am vergangenen Abend war hier mehr Lärm gewesen als in der Monmouth Street an einem Samstagabend.
    Sie brannte darauf, auszugehen und die Gegend zu erkunden. Bisher kannte sie von New Orleans nur, was sie auf der Droschkenfahrt vom Schiff gesehen hatte. Auch da war es still gewesen, weil es erst neun Uhr morgens war, und alles, was sie zu sehen bekam, waren Lieferwagen, Straßenkehrer und farbige Mädchen, die Türstufen putzten und Messingbeschläge polierten. Aber es hatte sie beeindruckt, wie alt und schön die Stadt war. Etienne hatte ihr erzählt, dass der Teil, durch den sie fuhren, French Quarter hieß, weil hier im Jahr 1721 die ersten zwanzig Häuserblocks von Franzosen errichtet worden waren.
    Alle Häuser lagen direkt an der Straße, ohne Vorgarten, den viele der viktorianischen Reihenhäuser daheim hatten, aber sie sahen nicht alle gleich aus: Es gab farbenfrohe Häuser im kreolischen Stil mit Läden vor den Fenstern direkt neben anderen im spanischen Stil mit zierlichen schmiedeeisernen Balkonen in den oberen Stockwerken, auf denen häufig eine Fülle von Grünpflanzen und Blumen wuchs. Belle hatte hübsche kleine Hinterhöfe erspäht, Plätze mit Grünanlagen und viele exotische Blumen und hohe Palmen.
    Etienne hatte ihr erklärt, dass New Orleans bis 1897 ein gefährlicher, gesetzloser Ort gewesen war, wo sich fast überall in der Stadt Prostituierte nahezu nackt in Hauseingängen zur Schau stellten. Da es ein geschäftiger Hafen war, strömten jeden Abend Seeleute aller Nationen in die Stadt, um zu trinken, zu spielen, eine Frau zu finden und normalerweise auch eine Schlägerei anzufangen. Die Zahl der Toten durch Messerstechereien und Schießereien war hoch, und unzählige Menschen wurden in dunklen Gassen zusammengeschlagen und ausgeraubt. Ganz gewöhnliche, achtbare Bürger, die versuchten, friedlich ihre Kinder großzuziehen, mussten all das in ihrer nächsten Umgebung erdulden, und sie forderten, dass etwas unternommen werden müsste.
    Es war Alderman Sidney Story, der den Vorschlag machte, jenseits der Bahnschienen und hinter dem French Quarter ein Gebiet mit achtunddreißig Wohnblocks zu einer freien Zone zu erklären, in der Prostitution legal war. Dadurch musste sich das Gesindel der Stadt auf einen abgegrenzten Bereich beschränken und war von der Polizei leichter zu kontrollieren. Die gesetzestreuen Bürger von New Orleans waren nur zu gern bereit, einen Antrag zu unterstützen, der die Huren und betrunkenen Seeleute aus ihren Wohngegenden vertrieb. Spielhöllen und Opiumhöhlen wären außer Sichtweite, und man hätte vor den Gewalttaten, die dieses kriminelle Umfeld mit sich brachte, nichts mehr zu fürchten.
    Sidney Story brachte den Gesetzesantrag ein und setzte ihn durch, und der Stadtteil erhielt den Spitznamen »Storyville«. Aber die meisten Leute nannten ihn einfach »den Bezirk«.
    Belle musste fast lachen, als Etienne ihr erzählte, wie es vor dieser Zeit gewesen war. Es klang ganz nach Seven Dials! Sie sagte ihm das und fügte hinzu, dass sie, obwohl sie in nächster Nähe von allen möglichen kriminellen Aktivitäten und Lastern aufgewachsen war, nie wirklich etwas davon mitbekommen hatte oder davon berührt worden war   – erst als Millie ermordet wurde.
    »Mich amüsiert es, dass gerade die Leute, die ein großes Geschrei wegen der Lasterhaftigkeit erheben, oft diejenigen sind, die am meisten davon profitieren«, bemerkte Etienne trocken. »Geschäfte, Hotels, Kneipen, Wäschereien, Kutscher, Schneider und Hutmacher   – sie alle könnten ohne die Besucher, die der Bezirk nach New Orleans lockt, nicht überleben. Sogar der Stadtrat, die Krankenhäuser und Schulen profitieren von den Steuern. Aber woher das Geld stammt, möchte jeder gern vertuschen.«
    Jetzt stand Belle auf und lief zum Fenster, um sich den Ort anzuschauen, den die braven Bürger von New Orleans verstecken wollten.
    Ihr Zimmer war im dritten Stock, nur ein kleiner, spärlich möblierter Raum für ein Dienstmädchen, ganz anders als die prachtvollen Zimmer, die die Mädchen unten hatten. Vom Fenster aus sah man auf die

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