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Doch du wirst nie vergessen: Roman (German Edition)

Doch du wirst nie vergessen: Roman (German Edition)

Titel: Doch du wirst nie vergessen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lesley Pearse
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Fenster nach draußen fiel.
    Belle hatte große Augen gemacht, als sie Tom Andersons Lokal zum ersten Mal bei Nacht sah, denn es war von so vielen elektrischen Lampen erleuchtet, dass es ihr fast in den Augen wehtat. Anderson war im Bezirk ein ganz wichtiger Mann. Er regelte Streitigkeiten, bestrafte jene, die Strafe verdienten, und hatte einen Großteil der Stadt in der Tasche. Sein fabelhafter Saloon, der einen halben Häuserblock einnahm, war ganz mit kunstvoll geschnitzten Kirschholzmöbeln, Spiegeln und Vergoldungen ausgestattet und hatte rund um die Uhr geöffnet.
    In der Basin Street herrschte nie völlige Stille. Nach fünf Uhr morgens wurde es bis neun, zehn Uhr vielleicht etwas ruhiger, aber in der übrigen Zeit dröhnte Musik aus den Dutzenden Bars, Clubs und Bordellen; überall liefen Straßenmusikanten herum, und dazu kam noch das Lärmen und Schreien, das in einem Rotlichtbezirk einfach dazugehörte. Manchmal sah Belle ganze Scharen von Seeleuten betrunken die Straße hinunter zum Few Clothes Cabaret wanken. Die anderen Mädchen sagten, dass sie wahrscheinlich in jeder Kneipe, an der sie vorbeigekommen waren, seit sie von Bord gegangen waren, einen Drink genommen hatten und unterwegs zu den »Kisten« in der Iberville Street waren, wo die Huren einen Dollar kosteten, vermutlich aber schon zu betrunken waren, um noch etwas zu leisten, und ihr Geld für nichts verschwendeten.
    Männer, die mit der Bahn nach New Orleans kamen, hatten bessere Chancen, zu den Frauen zu kommen, solange sie noch halbwegs nüchtern waren, da die Züge direkt am Eingang des Bezirks hielten und die Fahrgäste schon im Vorbeifahren die Mädchen sehen konnten, die sich verführerisch aus den Fenstern der Freudenhäuser lehnten und ihnen zuwinkten.
    Da Belle vom Fenster aus nichts erkennen konnte, ging sie zur Eingangstür und trat auf die Vortreppe. Sie nahm an, dass die Leute zwei Männern bei einer Prügelei zuschauten, weil laute Anfeuerungsrufe zu hören waren. Aber plötzlich teilte sich die Menschenmenge, und Belle stellte erstaunt fest, dass zwei Frauen miteinander kämpften und wie wilde Hunde aufeinander losgingen.
    Sie hatte die große, massige Frau mit dem rot gefärbten Haar amVortag gesehen, als sie laut auf der Straße randalierte. Hatty hatte gesagt, dass es wahrscheinlich etwas mit dem Zuhälter der Frau zu tun hatte, der anscheinend mit einer anderen Frau gesehen worden war. Falls das stimmte und die etwas kleinere Frau mit dem blondierten Haar diejenige war, die der Rothaarigen ihren Liebhaber und Beschützer ausgespannt hatte, war sie in Lebensgefahr.
    Sie wälzten sich auf dem Boden, sprangen auf und gingen wieder aufeinander los. Die Blonde kämpfte wie eine Frau und zerkratzte der anderen das Gesicht mit den Fingernägeln, aber die Rothaarige schwang ihre Fäuste wie ein Preisboxer, und jedes Mal, wenn sie das Gesicht oder den Körper der Blonden traf, johlte die Menge.
    Auf einmal schienen sie miteinander zu verschmelzen, und Belle trat auf den Bürgersteig, um mehr zu sehen. Ein plötzlicher Schmerzensschrei der Blonden ließ alle Umstehenden noch näher rücken, und die Rothaarige spuckte etwas aus ihrem Mund auf den Bürgersteig.
    Sie hatte dem anderen Mädchen drei Finger abgebissen.
    Belle war vor Entsetzen wie gelähmt. Die drei blutigen Finger lagen ungefähr zehn Meter von ihr entfernt auf dem Bürgersteig.
    »Das reicht!«, brüllte einer der Männer in der Menge. »Komm schon, Mary, du kannst den Leuten nicht einfach Körperteile abbeißen.«
    »Ich beiße jedem, der mich daran hindert, das Miststück umzubringen, ein Ohr oder die Nase ab!«, schrie die Rothaarige, aus deren Mund Blut tropfte.
    Vier, fünf Männer sprangen vor und hielten sie fest, während sich andere um die Verletzte kümmerten.
    Belle lief ins Haus zurück. Ihr war ganz flau im Magen.
    »Was ist denn da los?«, fragte Martha, die gerade die Treppe herunterkam, als Belle die Haustür absperrte.
    Belle musste würgen, als sie den Vorfall schilderte.
    »Das wird Dirty Mary gewesen sein«, sagte Martha. Sie nahm Belle am Arm, zog sie in den Salon und schenkte ihr etwas Brandy ein. »Vor ein paar Jahren ist sie mit einer Axt auf eine andere Fraulosgegangen und hat ihr den Arm direkt unter dem Ellbogen abgehackt. Und sie wurde freigesprochen. Schwein gehabt.«
    »Wie kann man so etwas einem anderen Menschen antun?«, fragte Belle, die sich ganz elend fühlte und wünschte, sie wäre nicht hinausgegangen.
    »Sie hat Syphilis, deshalb

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