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Doctor Boff - Weiberkranckheiten

Doctor Boff - Weiberkranckheiten

Titel: Doctor Boff - Weiberkranckheiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert Klugmann
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die junge Ärztin auf den Plan, ihre Hände wollten es genau wissen, sie drangen in Gegenden vor, die schon lange keine Hand mehr berührt hatte – oder zu oft.
    Beim Doctor ging es gesittet zu. So war das also, wenn man Bücher gelesen und eine Universität besucht hatte. Wahrscheinlich verdiente er eine Menge Geld, aber er war freundlich geblieben. Er befahl nicht und bellte nicht, sondern sprach in Zimmerlautstärke; vor allem drohte er nicht und jagte keine Angst ein. Wenn die Welt, in der man sich gerade aufhielt, auch fremd war und ewig bleiben würde, so genoss man dennoch die Minuten beim Doctor. Es war wie der Besuch in einem Schloss. Noch schöner wäre es nur gewesen, wenn der Doctor etwas zu essen und zu trinken angeboten hätte. Ein Kuchen, einen Keks, eine Süßigkeit, ein Stück Obst oder – Gipfel des Genusses – einen Becher mit Kakao oder Kaffee. Natürlich war das undenkbar. Niemand außer den Königen und Fürsten und bürgerlichen Geldsäcken konnte sich das leisten.
    Für jede Patientin hatte er ein Medikament parat: das Lächeln des Doctors. Er lächelte auch noch, wenn das, was den Juckreiz auf dem Kopf verursachte, flinke Beine besaß; wenn die Krätze beide Arme unter sich begraben hatte, legte er eine Hand darauf, und alles ließ sich gleich besser aushalten; wenn das Fieber seit sechs Wochen nicht verschwinden wollte, fragte er einem so lange ein Loch in den Bauch, bis die Rede auf das verschimmelte Brot und das verschimmelte Gemüse kam, das man aus dem Abfallhaufen fischte, der so günstig lag, dass man nicht widerstehen konnte.
    »Sie sind vernarrt in Euch«, behauptete Hermine in der Mittagspause. Boff aß tagsüber wenig, lieber legte er sich aufs Sofa, so dass die Beine erhöht auf der Lehne lagen.
    »Das ist ein guter Anfang«, erwiderte er. »Ohne Vertrauen können wir einpacken.«
    »Ich denke, einige Frauen haben übertrieben, nur weil sie wollten, dass Ihr Euch um sie kümmert.«
    »Unerhört! Was will uns das wohl sagen? Ihr wisst selbst, was der wichtige Teil unserer Arbeit ist: das Wahre vom Unwahren zu unterscheiden. Wir müssen uns einerseits auf das Reden konzentrieren und dürfen uns andererseits durch das Reden nicht ablenken lassen.«
    »Wie soll das denn gehen?«
    »Das, liebe Hermine, ist die Kunst in unserem Gewerbe. Mancher schreckt davor zurück und konzentriert sich auf Patienten, die winzig klein sind, meistens schlafen und nicht sprechen können.«
    Sie wollte aufbegehren, aber sie sah sein Lächeln. Sie sah, wie er lächelnd mit geschlossenen Augen auf dem Sofa lag und seine zehn Minuten Schlaf nahm. Dieser Doctor war ein guter Mann, einen vergleichbaren hatte sie noch nicht getroffen. Wie elegant er auf der Klaviatur der Gefühle spielte! Er fandzur einfachsten Bäuerin genauso gut Zugang wie zur Frau des Pastors, die Hermine um den Verstand gebracht hätte. Hermine war gut in ihrer Art, aber sie hatte Probleme, einen Schritt nach rechts und links zu tun. Unerwartete Wendungen brachten sie aus dem Konzept. Boff wurde dann ruhig, seine Stimme noch tiefer. Mit der Eindrücklichkeit seiner Stimme hatte er mehrere aufgeregte Frauen so weit beruhigt, dass sie am Ende ganz normal gesprochen hatten. Dabei verrieten ihre Gesichter, wie sehr sie erstaunt waren, dass es jemand gelungen war, ihre hektische Art zu besänftigen. Manche Frauen waren von Natur aus laut, und wenn sie ein wenig lauter wurden, war es Geschrei. Manche Stimmen wurden vorwurfsvoll und schrill, manchmal alles zusammen. Mit einer Ohrfeige wäre das zu stoppen gewesen. Den Doctor Boff hatte sie noch nicht erbost erlebt. Dabei war er nicht unterwürfig und hielt sich nicht zurück, wenn er sich Unsinn anhören musste. Dann widersprach er und brachte die Patientin zur Erkenntnis, dass sie sich irrte, dass sie zu kurz dachte und nachplapperte, was sie woanders gehört hatte.

11
    Der neue Stadtphysicus kam in der Stadt herum. Insgeheim hatte er gehofft, sich im ersten Monat ganz auf seine Praxis konzentrieren zu können. Tagsüber arbeiten, abends ins Gasthaus, ein Stündchen essen, plaudern und ab ins Bett. Aber so lief es nicht. Halle nahm den neuen Physicus mit offenen Armen auf. Jeden Tag brachte der Bote eine Einladung. Alle wollten mit ihm ihre Essen, Empfänge und Feste adeln. Einige Festlichkeiten wurden ausschließlich zu Ehren von Boff veranstaltet. Er ließ sich mit der Antwort auf die Einladungen Zeit, er wollte nicht glauben, dass seine Person von Bedeutung sei. Es kamen Nachfragen,

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