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Doctor Boff - Weiberkranckheiten

Doctor Boff - Weiberkranckheiten

Titel: Doctor Boff - Weiberkranckheiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert Klugmann
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liebte es, ihn zu quälen. Er fand es nicht verabscheuenswert, gequält zu werden. Aber ein wenig Abwechslung vom vielen Quälen hätte ihm nicht übel gefallen. Er stellte sich vor, neben ihr zu liegen. Das Bett war schmal, man würde dicht nebeneinander liegen und durfte sichnicht bewegen, weil man sich sonst berühren würde. Er wusste, wie sie roch, sie kannte Kräuter, die diesen Geruch erzeugten. Sie war nicht geschminkt, ihre Haut war nicht so blass wie die Haut vornehmer Frauen. Er mochte vornehme Frauen und vornehme Haut. Aber mit diesen Frauen musste er plaudern und zierlich daherreden und sich als Kenner der Künste ausgeben. All das würde bei Hermine wegfallen. Mit ihr hatte er viel gemeinsam, auch Gesprächsthemen. Sie lebten in derselben Welt, sie hatten gemeinsame Erlebnisse. Sie arbeiteten Seite an Seite. Der Medicus Boff verfügte praktisch über zwei rechte Hände und zwei linke Hände. Aber es war ihm verboten, die Hälfte der Hände zu berühren.
    Verzweifelt sagte er: »Wenn Ihr nicht mitkommst, schmeiße ich Euch raus.«
    Sie blickte ihn an, ihre Kiefer mahlten, sie sprang auf, drückte ihm einen Kuss auf die Wange und sagte: »Warum nicht gleich so! Das ist die Sprache, die Frauen aus dem Volk verstehen.«
    Man traf sich beim Rektor der Universität. Vom Balkon blickte man auf die Burg Giebichenstein, und man betrat den Balkon nicht nur einmal. Frau Rektor reagierte auf den Anblick einer brennenden Pfeife oder Zigarre mit einem Griff an den Hals. Immerhin war es ihr eigener Hals, was beim hasserfüllten Blick auf den Raucher nicht selbstverständlich war. Dann eilte ihr Mann hinzu und bat ins Freie, wo man sich seinen qualmenden Leidenschaften hingeben könne, ohne weibliche Bronchien zu verschließen. Bei der Bemerkung mit den Bronchien musste es sich um eine Fehde zwischen den Eheleuten handeln, denn die Gattin reagierte auf jede Erwähnung der »Bronchien« mit einem Knurren. Die Runde bestand aus elf Personen, fünf waren aus Italien angereist, zwei hatten ihre Ehefrauen mitgebracht. Eine sah aus wie die Mutter des Mannes, die andere wie seine jüngere Schwester. Die Frau des Rektors sah aus wie die Wiedergeburt seines Hundes, den er als Kind besessenhatte und von dem er im Lauf des Abends Anekdoten erzählte. Offensichtlich war der Hund im Verlauf einer Jagd erschossen worden, und der Rektor glaubte nicht, dass es sich dabei um einen Unfall gehandelt hatte.
    Alle Italiener sprachen französisch und verstanden es noch besser, zwei waren im Deutschen zu Hause. Die Hallesche Fraktion vertrat der Professor, der der medizinischen Fakultät vorstand, ein Privatgelehrter in fortgeschrittenem Alter, von dem Boff in jungen Jahren das Standardwerk über die Lehre vom tierischen und menschlichen Körper gelesen hatte. Der dritte war Boff, Arzt für die Frauen, vielsprachig, in der italienischen Kultur und Wissenschaftsgeschichte zu Hause und in der Lage, sich mit drei Personen gleichzeitig auszutauschen, ohne einem von ihnen das Gefühl zu geben, er müsse mit dem Rest an Aufmerksamkeit vorlieb nehmen.
    Die Italiener befanden sich auf einer Rundreise durch mitteleuropäische Universitäten, sie suchten nach der Möglichkeit, Personal auszutauschen. Von Parma nach Halle für zwei Jahre und umgekehrt. Viel war von »Erweiterung« die Rede, vom »Wettbewerb der Wissenschaften«, von »Tausch der Stärken« und »Tod den Schwächen«. Vom Handel war die Rede, der sich nicht an Grenzen hielt, von Geschäften, die Skandinavien, England, die iberische Halbinsel und das Baltikum bis nach Russland umfassten. Von Asien war die Rede und von Amerika, das eines Tages so stark werden könnte, dass der Handel nennenswerte Dimensionen erreichte. »Wir verkaufen ihnen Universitäten!«, rief ein Gast. »Sie können sich die Fakultäten aussuchen, können sich ihre Universitäten zusammenbauen. Wir haben die Fachleute und das Wissen, sie haben die Nachfrage und massenhaft junge Menschen, die nicht ewig Wilde bleiben wollen. Wir müssen anbieten, bevor uns die Nachfrage entgegentritt und Zeitdruck erzeugt.«
    Seine Begeisterung war sympathisch, wenn auch nicht ansteckend. Dazu waren die hiesigen Teilnehmer der Rundezu vernünftig und abwägend. Das heiße Blut der Südländer traf auf Menschen, die sich weniger schnell erregten und mehr Zeit brauchten, um zu planen, zu beschließen, zu bauen und zu lehren.
    Praktisch fand in der Villa des Rektors eine Wissensmesse statt, sie erzeugte eine Aufbruchstimmung, die auch

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