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Doctor Boff - Weiberkranckheiten

Doctor Boff - Weiberkranckheiten

Titel: Doctor Boff - Weiberkranckheiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert Klugmann
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umgekippt und hatte einen Wächter eingeklemmt, ausgerechnet am Tor, das nach draußen führte. Um den Mann zu befreien, wurde das Tor geöffnet, drei Gefangene nutzten die Gelegenheit, rannten die Wächter über den Haufen und verschwanden Richtung Innenstadt. Hoppe war dabei, bei den anderen handelte es sich um einen Einbruchdieb und den Anführer einer Räuberbande, der auf den Straßen Richtung Süden Reisende überfallen hatte.
    »Es kann Zufall sein«, sagte Hermine.
    »Was ist denn passiert?«, fragte Boff. »Tänzer ist drei Wochen bewusstlos und wacht plötzlich auf. Einen Tag später bricht der Mann, der für seinen Zustand verantwortlich ist, aus dem Zuchthaus aus. Entweder handelt es sich um Zufall – wer kann schon eine getürkte Vorführung mit durchgehenden Pferden in Szene setzen?«
    »Sagt es schon«, forderte Hermine ihn auf. »Oder Hoppe wird das, was ihm beim ersten Anlauf missglückte, erneut versuchen.«
    Boff war skeptisch: »Einen todkranken Mann ermorden? Wie krank muss jemand sein, der so handelt?«
    »Und wenn er nur der gedungene Mörder ist? Wenn er schon beim ersten Angriff einen Auftrag hatte und ihn nun vollenden will? Sagen wir, weil er erst dann das Honorar für die Tat erhält und erst dann seine Familie versorgt ist?«
    Boff blickte Hermine besorgt an. Woher bezog diese Frau ihre schwarze Phantasie? Es war nicht das erste Mal, dass man über Verbrechen sprach. Jedes Mal war Hermine durch grausige Vermutungen aufgefallen. Als würden Mord und Totschlag ihre Gedanken beflügeln anstatt sie einzuschüchtern, wie man es bei einer Frau erwarten durfte.
    »Aber dann wäre ja sein Geständnis Lug und Trug«, gab er zu bedenken.
    »Er musste schnell und überzeugend gestehen, damit man den Fall zu den Akten legt. Damit man Hoppe abhakt und nicht mehr streng unter Beobachtung hält, weil man glaubt: Das ist ein gebrochener Mann, er hat mit allem abgeschlossen.«
    »Aber warum bricht er jetzt aus? Tänzer war auch vorher noch am Leben.«
    »Mehr tot als lebendig. Ein schwer verletzter Mann, der bewusstlos ist. Wir haben doch alle angenommen, dass jedeStunde seine letzte sein kann. Wenn es Menschen gibt, die ein Interesse daran haben, dass Tänzer stirbt, konnten sie bis gestern halbwegs beruhigt sein. Die Zeit hat für sie gearbeitet. Aber dann schlug er die Augen auf, dann mussten sie handeln, weil sie Angst bekamen, er würde sich wieder erholen.«
    »Wovor genau haben sie denn Angst? Dass er am Leben bleibt? Oder dass er etwas sagt, was jemanden in Bedrängnis bringt?«
    Rohwedder hatte bisher schweigend zugehört und mischte sich nun erst ein. »Jedenfalls sind sie jetzt zornig«, murmelte er vergnügt. »Bis gestern hätten sie ihm jederzeit den Hals umdrehen können. Er war ja schutzlos. Nur seine Frau war im Haus und eine Pflegerin. Jedes Kind kommt an denen vorbei.«
    »Woher weißt du das?«, fragte Boff verdutzt.
    »Woher? Weiß auch nicht. Habe es wohl irgendwo aufgeschnappt. Vielleicht bei Euch?«
    »Nein, ich bin sicher, dass ich dir gegenüber nichts von einer Pflegerin erwähnt habe.«
    Allen war klar, dass Hoppe in diesem Moment schon auf dem Weg in sein neues Leben sein konnte. Wenn er nur eine günstige Gelegenheit zur Flucht ausgenutzt hatte, wäre er gut beraten, in kürzester Zeit so viele Meilen wie möglich zwischen Halle und sich zu legen.
    »Wir müssen Tänzer bewachen«, forderte Boff. »Vielleicht ist es überflüssig, vielleicht ist sein Leben aber auch bedroht.«
    »Wer will, dass Tänzer stirbt?«
    Die Worte des Boten Lewerkühn stürzten alle in Nachdenklichkeit. Bis eben hatte es keinen anderen Grund für Tänzers Zustand gegeben als einen zornigen Mann, der den Arzt dafür verantwortlich machte, dass sich der gesundheitliche Zustand seiner Frau verschlechtert hatte. Jetzt gab es eine zweite Möglichkeit, die niemandem gefiel. Wer hatte einen Vorteil davon, wenn Tänzer starb? Was auf den ersten Blick überraschend und unwahrscheinlich wirkte, gewann mit jeder Minute an Plausibilität. Tänzer war in Halle eine Institution. Er kannte zahlloseMenschen, von denen viele Einfluss besaßen. Es gab Menschen, denen er in die Quere gekommen sein konnte. Er saß in so vielen Ausschüssen, wirkte seit Jahren an allen Fragen mit, die sich um Gesundheit und Fürsorge drehten. Tänzer war eine wichtige Figur bei allen Personalangelegenheiten, gegen sein Wort fasste kein Mediziner in Halle Fuß.
    Boff kannte die Verhältnisse in anderen Städten, überall bildeten die

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