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Doctor Boff - Weiberkranckheiten

Doctor Boff - Weiberkranckheiten

Titel: Doctor Boff - Weiberkranckheiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert Klugmann
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würde. Boff unterstützte die Arbeit des Gelehrten. Aber Tänzers Leichnam stand nicht zur Debatte – obwohl Rohwedder unfassbar betteln konnte. Er war fähig, im Gegenüber das Bewusstsein eigener Grausamkeit zu wecken, wenn man nicht auf der Stelle Rohwedders unerhörte Wünsche erfüllte. Auch heute war er wieder bei der Fürstin. Natürlich durchsuchte Boff seine Habseligkeiten und Schriftstücke. Es war der einzige Weg, den Überblick über Rohwedders Gedankenwelt zu behalten. Seitdem er dreimal pro Woche zur Fürstin fuhr, hatte Boff den Zugang verloren.
    Für die kommende Nacht teilte sich Boff selbst als Wächter ein. Er versäumte es, Hermine davon zu unterrichten, dass sie in den kommenden Stunden die Gesellschaft von Lewerkühn, dem Teufelsreiter, würde entbehren müssen.
    »Das tut mir aufrichtig leid«, sagte er, als er im Hause Tänzer eintraf.
    »Ihr gebt Euch nicht einmal Mühe, überzeugend zu flunkern«, knurrte sie. Sie war gut darin, ihre Gefühle zu verbergen. Boff wäre nicht auf den Gedanken gekommen, wie sehr sie die Aussicht auf eine gemeinsame Nachtwache entzückte. Einige Minuten plauderten sie mit Katarina, es fiel ihr schwer, die Wächter allein zu lassen. Zweimal kehrte sie unter einem Vorwand zurück, um sich weitere Minuten Gesellschaft zu erschleichen.
    »Warum tut Ihr das?«, fragte Katarina offen. »Ihr könntet eine Hilfskraft schicken.«
    »Ich habe mit mehreren Männern gesprochen, die in Halle Verantwortung tragen. Alle waren sich darin einig, dass Euer Mann nicht bedroht ist. Sie waren sich auch darin einig, dass passieren wird, was passieren soll. Alle diese Männer sind für ihre Tatkraft berühmt. Aber in diesem Fall reden sie fatalistisch daher. Das ärgert mich. Nicht weil sie Eurem Mann etwas schuldig wären. Sondern weil sie sich weigern, zwei und zwei zusammenzuzählen. Eine Wache vor der Tür Eures Hauses – und sie hätten mir den Wind aus den Segeln genommen. Aber sie tun es nicht. Sie lassen alles auf sich zukommen. Das ist eine grundsätzliche Haltung und nicht meine. Wir sind nicht auf die Welt gekommen, um so energisch zu sein wie die Blumen. Etwas mehr Hirn darf schon sein.«
    »Das ist mein Lehrmeister«, sagte Hermine. Zweifellos war es spöttisch gemeint, aber dass sie beeindruckt war, konnte sie nicht verbergen.
    Und dann sagte Katarina Worte, die lange nachhallen sollten: »Ihr beide würdet ein gutes Paar abgeben.«
    Es gab keinen Anlass für diese Worte, nichts an der Haltung der beiden hatte zu dieser Bemerkung Grund gegeben. Aber nun waren die Worte in der Welt, und als die Wächter allein waren und es darum ging, wer das Sofa bekommen würde und wer den Sessel, fanden sie sich nebeneinander auf dem Sofawieder. Es war möglich, dort zu sitzen, ohne sich zu berühren. Aber eng war es doch, und beiden war das bewusst.
    »Diese Frau«, murmelte Hermine irgendwann.
    »Denkt sich etwas und spricht es aus«, sagte Boff. Er war fünfzehn Jahre älter, er war verheiratet gewesen, er wusste, wie es zugeht zwischen Frauen und Männern. Und Hermine musste wissen, dass er es wusste. Er dachte dies und das und stellte sich Hermines Reaktionen vor. Er konnte nichts falsch machen, denn für alles, was er tun würde, gab es eine Entschuldigung. Sie war jung, kräftig und gesund. Sie übte einen Beruf aus, den er akzeptierte. In der täglichen Arbeit waren sie schon ein Paar. In vielen Gesichtern der Patientinnen hatte Boff dieses lächelnde Wissen gesehen. Im Grunde waren sie sich nie näher als bei der Arbeit. Bei der Arbeit gab sich Hermine nicht spröde. Bei der Arbeit fielen keine Worte, die Abstand schufen. In diesen Stunden mäkelte sie an Doctor Boff nicht herum. Kaum waren sie danach zu zweit oder mit Bekannten zusammen, ging es los.
    Vor ihnen stand das Bett mit dem todkranken Mann. Sie sahen ihm beim Sterben zu und mussten keine Worte darum machen, weil sie ein Wissen besaßen, das sie in den Stand versetzte, Tänzers Lage einzuschätzen. Boff kannte viele Ehepaare, bei denen die Frau nicht wusste, was der Mann bei der Arbeit tat. Und er teilte es ihr auch nicht mit. Diesen Zustand wollte Boff nicht erleben, er hätte ihn nicht ertragen.
    »Ich höre Euch denken«, sagte sie.
    »Kann gar nicht sein, dann wärt Ihr jetzt dunkelrot im Gesicht.«
    »Ihr denkt zu viel an mich.«
    »Das ist eine durch nichts bewiesene Vermutung. Ihr klopft nur auf den Busch.«
    »Quod erat demonstrandum.«
    »Sind wir jetzt lateinisch?«
    »Alles ist besser als über

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