Doctor Who: Rad aus Eis (German Edition)
nicht an die Cs weitergaben. Keine der beiden Gruppen sprach mit den Managern, den A-Rängen. Auf die Kinder und Jugendlichen, die in ihrer Mitte Orientierungskurse und Lehren absolvierten, achtete kaum jemand. Manchmal unterhielten sich die Erwachsenen sogar, als wären die Jungen nicht einmal da.
Phee hörte nur Fragmente der Geschichte. In den tiefen Schächten war es anscheinend zu einer Begegnung gekommen, die den Arbeitern Angst einjagte. Es ging nicht um ein technisches Problem, nicht wie bei den früheren Zwischenfällen, obwohl einige von denen auch zu Verletzungen geführt hatten. Dieses Mal war ein Arbeiter unmittelbar verletzt worden – ein Mensch, dieser Campbell. Er war
angegriffen
worden. Seine Wunden waren seltsam, seine Ärzte ratlos.
Und irgendwie hatte alles mit der Farbe
Blau
zu tun.
Nach der Schicht ging sie direkt nach Hause. Ihre Mutter arbeitete zur gleichen Zeit wie sie, und mit ein wenig Glück war sie noch nicht zurück. Casey war im Kindergarten. Sam hatte geschwänzt und bereitete sich auf seinen Flug nach Enceladus vor. Mit zusammengebissenen Zähnen hatte Phee beschlossen, mitzukommen. Sie ließ nur sehr ungern eine Schicht aus, aber sie hatte den Eindruck, dass sie auf Sam aufpassen musste.
Das Haus war leer, als sie eintraf. Ganz wie von ihr erhofft.
Obwohl ihr Herz raste und das schlechte Gewissen an ihr nagte, ging Phee zum Schreibtisch ihrer Mutter. Er stand in einem kleinen Raum, den Jo als Arbeitszimmer nutzte. Sie hob die Zierverkleidung hoch und betrachtete die stabile Stahlklappe, die sich darunter befand. Sie war mit einem Kombinationsschloss gesichert.
Niemand kannte die Kombination von Bürgermeisterin Jo Laws’ Schreibtisch. Niemand außer ihrem Sohn Sam. Und ihrer Tochter Phee.
Sam kannte sie, weil er seine Mutter ausspioniert hatte. Das war eine von seinen Angewohnheiten. Phee nahm an, dass er zudem hatte vorsorgen wollen – für den Fall, dass er eines Tages unangenehme Akten über sich vernichten musste.
Eines Abends, Sam war ordentlich betrunken gewesen, hatte er Phee die Kombination zugeflüstert. Nur aus Gehässigkeit, um seine »scheinheilige, uncoole Petze von einer Schwester« in seine schmutzigen Angelegenheiten zu ziehen. Phee hatte dieses Wissen noch nie missbraucht, und sie redete sich nun ein, sie handele allein zum Wohle Caseys und vielleicht der ganzen Kolonie.
Sie tippte die Kombination ein, und die Stahlklappe schwang lautlos auf. Sie war so kalt wie Phees schlechtes Gewissen.
Phee beugte sich vor und steckte ihr Amulett unter den Overall, damit es nicht im Weg hing. In dem Schreibtisch stapelten sich Akten, die meisten handgeschrieben; daneben lagen einige Fotos, die mit einer primitiven Nasschemie-Kamera aufgenommen worden waren. Jo Laws war in einer Zeit aufgewachsen, in der niemand geglaubt hatte, dass digitale Aufzeichnungen und Bilder wirklich sicher sein konnten, deshalb bestand sie darauf, ihre privaten Dokumente mit der Hand zu verfassen. Das war zwar sehr altmodisch, doch so ließen sie sich wenigstens nicht hacken. Der Schreibtisch war nicht gut organisiert, ihre Mutter war kein Registrator, aber die Akte, die Phee suchte, war neu und lag deshalb ganz oben.
»CAMPBELL, JAMES, IDENT C78J987K, PP-SE-KLASSIFIZIERUNG C7. VERLETZT WÄHREND SCHICHT ALPHASIEBEN …« Es handelte sich um einen medizinischen Bericht, eines von vier Exemplaren, die Dr. Sinbad Omar ausgefüllt und auf dem Deckblatt unterschrieben hatte. Phee blätterte ihn rasch durch. Die Schicht hatte ohne Zwischenfälle begonnen. Campbells Team hatte einen neuen Schacht geöffnet. Der zweiundvierzigjährige, sehr erfahrene Campbell hatte es angeführt.
Dann war es zu der Begegnung gekommen.
»Sie waren auf einmal überall«, las Phee die Aussage eines anderen Arbeiters. »Kleine Kreaturen. Kümmerlich. Kalt. Sie schwärmten aus. Ja, blau. Eine von ihnen schien der Anführer zu sein, aber sie sahen alle gleich aus. Wir konnten fliehen, raus aus dem Schacht, alle außer Jim Campbell. Er stürzte, und sie zogen ihn zurück in den Schacht. Sie bedeckten ihn wie große blaue Maden. Er schrie. Das werde ich nie vergessen. Wir liefen zu ihm. Wir konnten unsere Blaster nicht benutzen, weil wir Jim getroffen hätten. Also griffen wir mit allem an, was wir sonst so hatten, mit Blastergriffen, Eisenstangen, sogar mit bloßen Fäusten. Irgendwann hatten wir sie vertrieben und holten Jim raus, aber sie hatten schon einiges angerichtet …«
Zu dem Bericht gehörten auch Bilder von
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