Doctor Who: Rad aus Eis (German Edition)
tiefe Untergrundbahn der Welt, und ihr Vater war der Chefingenieur. Die aneinandergereihten Abteile standen an dem von Gaslampen erhellten Bahnsteig und warteten auf ihre erste Fahrt in den brandneuen Tunnel. Journalisten hatten sich versammelt, die Menge jubelte, Würdenträger aus der Stadt und dem ganzen Land waren zusammengekommen. Sogar irgendein Prinz, ein Neffe Königin Victorias, war unter ihnen.
Und Josephine. Sie war Sir Iains einzige Tochter und seit dem Tod ihrer Mutter vor vier Jahren das letzte verbliebene Mitglied seiner Familie, das ihn noch begleitete. Doch sie konnte dieses Zugabteil nicht betreten. Man hatte die Abteile klein und schmal gebaut, damit sie in die engen Tunnel passten. Wegen der hohen, gepolsterten Sitzbänke nannten die Konstrukteure sie »Gummizellen«. In dieser Zelle sollte Josephine durch einen Tunnel fahren, den man in den Ton unterhalb der Themse gegraben hatte!
Ihr Vater unterhielt sich und bemerkte ihr Zögern nicht. Das war ihr nur recht. Sie brauchte einen Moment, um sich zu sammeln.
Doch sie wurde abgelenkt, als jemand an ihrem Ärmel zupfte.
»Fossilien, Miss?«
Die Frau trug ein Tablett, auf dem einige kleine Felsstücke lagen. Sie war um die vierzig. Ihr Gesicht war schmutzig, die Haut pockenvernarbt. Sie trug ein schäbiges, formloses Kleid, das in starkem Kontrast zu den Schichten aus fein gesponnener Baumwolle und Seide stand, die Josephine einhüllten.
Josephine wich zurück, schämte sich aber im nächsten Moment dafür. Ihr Vater, der in seiner Jugend gern Dickens gelesen hatte, warnte sie stets vor Snobismus. »Ja? Was ist das?«
»Fossilien, Miss. Andenken von der Eröffnung. Nehmen Sie eines. Sie sind Sir Iains Tochter, richtig? Ist ein guter Mann, sagt mein Jack immer, und gerecht, wenn es mal Ärger gibt. Nehmen Sie ein Andenken mit. Diese Fossilien stammen aus dem Boden, den sie aufgerissen haben, um die Tunnel zu bauen. Es gab jede Menge, doch die Herren von den Museen in Kensington haben die meisten mitgenommen. Aber nicht alle. Die stammen von ganz tief unten, aus dem Ton und darunter. Ein Stück für einen Penny.«
Sie roch nach Kohlenstaub und Säuglingsmilch.
Zögernd betrachtete Josephine die schäbigen Waren auf dem Tablett der Frau. Einige der »Fossilien« sahen wie einfache Steine aus, andere wirkten authentischer. Aus manchen Tonbrocken ragten Knochenstücke, die möglicherweise allerdings von Hunden oder Ratten stammten. Doch sie sah auch einen Zahn, der so lang wie eine Zigarette war.
»Ihr Gatte hat in den Tunneln gearbeitet?«
»Das stimmt.«
»Warum müssen Sie dann …« Sie hätte beinahe »betteln« gesagt. »Wieso müssen Sie dann diese Andenken verkaufen? Mein Vater sagt, die Arbeiter seien gut bezahlt worden.«
Das musste man auch, denn die Arbeit in den Tunneln war unangenehm und gefährlich gewesen.
»Er versäuft alles, mein Jack. Diese Stücke habe ich in seinen Taschen gefunden. Wieso sollte ich daran nichts verdienen?
Sehen Sie
.« Die Frau zog einen Klumpen harten Tons hervor, der größer als ihre Faust war. »Dinosaurierknochen, Miss! Das schwöre ich Ihnen.«
Josephine hob den Klumpen neugierig hoch. In dem Ton waren Knochen eingeschlossen, die wie eine Hand aussahen, oder eine Tatze mit langen Fingern und einem Daumen. Doch der Daumen endete in einer langen Klaue. Und in der Tatze …
»Das ist plumper Betrug.«
»Was meinen Sie damit? Ich schwöre, dass ich …«
»Sehen Sie sich doch mal an, was die Tatze festhält?« In dem schummrigen Gaslicht war das schwer zu erkennen. Die Skelettfinger schlossen sich um einen flachen, dunklen Stein, der poliert aussah. Auf Josephine wirkte er wie ein schwerer, ungeschickt bearbeiteter Anhänger. Ein Objekt, das offensichtlich von Menschenhand stammte. »Eine Dinosaurierklaue«, sagte Josephine angestrengt, »die einen polierten Halbedelstein festhält? Halten Sie mich für dumm?«
Die Gedanken der Frau schienen sich zu überschlagen. Sie wirkte verzweifelt und ängstlich. »Aber wie ist das dann
in den Ton
gekommen, Miss?«
»Ein Zauberer könnte so etwas bewerkstelligen, denke ich …« Doch in Wirklichkeit glaubte Josephine nicht, dass selbst der berühmte Li H’sen Chang dazu in der Lage gewesen wäre.
»Ein Rätsel«, sagte die Frau atemlos. »Nicht nur ein Fossil, sondern ein Rätsel. Und ein Souvenir dieses Tages.« Sie lächelte und zeigte braune, lückenhafte Zähne. Dann streckte sie die Hand aus.
Schließlich gab Josephine ihr den Penny.
Josephine war
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