Doctor Who: Rad aus Eis (German Edition)
die Begegnung ebenso peinlich wie unangenehm, und sie fühlte sich schmutzig. Während der ganzen, ihr unendlich erscheinenden Reise unter dem Fluss hindurch spürte sie das Gewicht des Tonklumpens in ihrer Handtasche.
Erst abends, als sie allein in ihrem Schlafzimmer saß, nahm sie das Fossil aus der Tasche. Der Abrieb des Klumpens hatte den Stoff verschmutzt. Mit einer Nagelfeile und einer Schere entfernte sie den Ton nach und nach, bis sie die eingeschlossenen Knochen erreichte. Josephine legte auch sie beiseite. Schließlich blieb nur der Anhänger übrig. Er war schwer, ein einziges Stück, und perfekt proportioniert. Josephine sah auf einen rechteckigen Stein mit abgerundeten Ecken, der die Größe und die Form einer Spielkarte hatte.
Es war offensichtlich, dass er nicht auf natürliche Weise entstanden war. Und doch hatte ein Dinosaurier ihn in den Klauen gehalten.
Plötzlich leuchtete er lautlos auf, wurde so hell wie eine von Edisons Glühbirnen. Sie schrie auf und ließ ihn auf den Teppich fallen. Er zerbrach nicht, und auch das Leuchten wurde nicht schwächer.
»Josephine? Warst du das? Ist alles in Ordnung?«
»Es ist nichts, Vater.« Eine seltsame Panik überkam sie. Rasch legte sie den Stein in eine alte Blechschachtel, in der sie als Kind Glasschmuck gesammelt hatte, und schob sie unter das Bett, wo man sie nicht sehen konnte.
Erst am nächsten Tag wagte sie wieder einen Blick in die Schachtel. Das Licht war ausgegangen, der Stein wirkte so schwarz wie zuvor. Einen Tag später sah sie erneut in die Schachtel. Und auch am Tag darauf.
In den folgenden Jahren nahm sie die Schachtel mit zur Schule für höhere Töchter, dann in ihre eigene Wohnung in London und schließlich in das Haus ihres Ehemanns. Sie öffnete sie jeden Tag.
Bis zu dem Tag, fast zehn Jahre später, als der Stein wieder aufleuchtete.
Und dann noch einmal, weitere zehn Jahre später …
II
»Ich bekam es an meinem sechzehnten Geburtstag«, sagte Mutter. In den Händen hielt sie eine kleine Blechschachtel.
»Psst«, sagte Vater. Er saß vor dem Televisor. Sein Gesicht wurde in ein seltsam silbriges Licht getaucht. »Es fängt gleich an.«
Der Televisor war eine schwere Holzkiste, in dessen Vorderseite eine seltsame Glasscheibe eingelassen war. Vater sagte, die Kiste sei wie ein Radio, nur mit Bildern. Josie Laws McRae erinnerte sie eher an ein Aquarium. Trotzdem beugte sie sich im abgedunkelten Wohnzimmer, in dem es nach den Zigaretten ihrer Mutter und der Pfeife ihres Vaters roch, neugierig vor.
»Dieses Gerät ist noch experimentell«, sagte ihr Vater. Er war Anwalt und arbeitete für die Firma Logie Baird in Long Acre. »Nur eine Handvoll Menschen besitzen eines. Wir und der Premierminister.«
An diesem Tag sollte die BBC, der Radiosender, ein
Theaterstück
in dieser kleinen Kiste zeigen.
»Schreib das in dein Tagebuch«, sagte Vater.
Josie war sechzehn Jahre alt und misstrauisch. »Woher weißt du, dass ich ein Tagebuch führe.«
Mutter senkte den Blick.
Vater ignorierte die Frage. »Heute ist der vierzehnte Juli neunzehnhundertdreißig«, sagte er begeistert. »Der Tag, an dem sie
Der Mann mit der Blume in seinem Mund
ausstrahlen. Davon wirst du noch deinen Enkeln erzählen.«
»Hmpf!«
»Anscheinend wollen sie, wenn das funktioniert, als Nächstes
Die schwarze Orchidee
verfilmen. Du weißt schon, das Buch von Cranleigh …«
»Ich will
keine
Kinder und schon gar keine Enkel!«
Mutter strich über die verbeulte Blechschachtel. Mutter war sechsundfünfzig, lächelte immer und sah immer müde aus. Josie bezweifelte, dass sie je jung gewesen war. »So dachte ich in deinem Alter auch. Aber, Liebes, als ich so alt wie du war, bekam ich das.« Sie hielt ihr die Schachtel entgegen. »Ich war sechzehn. Deshalb halte ich es für angebracht, es nun
dir
zu geben.«
Josie runzelte die Stirn. »Das hat aber nicht wieder etwas mit Opa zu tun, oder?« Ihre Mutter ritt ständig auf der Tatsache herum, dass sie die Letzte aus dem Geschlecht der Laws war, einer schottischen Adels- und Ingenieurfamilie. Sie hatte sogar darauf bestanden, den Namen an ihre Tochter weiterzureichen. Auf Josie wirkte das schrecklich altmodisch. Dies waren schließlich die Neunzehndreißiger, war die moderne Welt! Wer brauchte da noch die Last der Vergangenheit?
»Hat es nicht«, antwortete Mutter und öffnete die rätselhafte Schachtel. »Jedenfalls nicht direkt. Ich finde nur, es sollte in der Familie bleiben.«
Der Gegenstand, der auf einem alten
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