Doener, Machos und Migranten
Badminton- und Fußballspielen im Park rundeten die Sonntage ab. Dabei waren wir immer auf öffentliche Verkehrsmittel und unsere Füße angewiesen.
Ein beliebtes Ausflugsziel war der Gysenbergpark in Herne, wo wir gerne Picknick machten. Wenn der Picknickkorb gefüllt war, fuhren wir mit dem Bus zu dem Park, der neben einem Spielplatz ein kleines Tiergehege, zahlreiche Getränke- und Eisbuden und viele große Spielwiesen bot. Auf einer dieser Wiesen breiteten wir unsere mitgebrachten Decken und Speisen aus. Neben den vielen Vorspeisen, eingelegtem Gemüse, gebratenen Auberginen und «mücver» (Zuccinipuffer), gab es häufig noch Gegrilltes. Meine Eltern hatten einen kleinen tragbaren Klappgrill, den sie mit in den Park nahmen. Rückblickend frage ich mich, wie wir das alles in Bus und Bahn transportiert haben. Meist trafen wir uns noch mit anderen türkischen Familien, sodass im Vorfeld abgesprochen werden konnte, wer was mitbrachte. So köstlich die Vorspeisen auch sind, Fleisch spielt in der türkischen Küche eine große Rolle. «Ohne Fleisch wird man doch nicht satt», gibt mein Vater bei jeder passenden Gelegenheit von sich. Selbst wenn man ihm eine riesiges Vorspeisenbüffet und Gemüsegerichte anbieten würde, wäre er nicht zufrieden. Wäre keine Fleischspeise dabei, würde er ständig fragen: «Was gibt es noch?»
Obwohl mein Vater äußerst gerne grillte, waren für das Anfeuern des Grills stets andere zuständig – entweder meine Mutter oder ein befreundetes Mitglied einer anderen türkischen Familie. Auch wenn das Kochen allein Sache meiner Mutter war, engagierte sich mein Vater doch stark im Familienleben. Er kümmerte sich um uns Kinder. Unermüdlich spielte er mit uns Verstecken, Fangen, Blindekuh und was wir sonst noch wollten.
Vier Monate nach unserer Ankunft in Deutschland fanden meine Eltern nach langer Suche über die Zeitung und Mundpropaganda endlich eine etwas größere Wohnung, und zwar in einer Parallelstraße. Da meine Eltern nur ein begrenztes Budget für die Miete zur Verfügung hatten, beschränkte sich die Suche auf die nicht gerade bevorzugten Wohngegenden. Für uns kamen in erster Linie Wohnungen in unrenovierten Altbauten ohne Bäder und mit Kohleheizung in Frage, die an stark befahrenen Straßen lagen, sozusagen das klassische Arbeiter- und Ausländergetto. Die Wohnungssuche gestaltete sich weitaus schwieriger, als meine Eltern erwartet hatten. Wenn eine Wohnung von der Quadratmeteranzahl und dem Mietpreis her in Frage kam, baten sie einen deutschen Arbeitskollegen, unter der angegebenen Telefonnummer anzurufen. Zwar konnten meine Eltern inzwischen deutsch sprechen, fühlten sich am Telefon sprachlich aber noch überfordert. Die Vermieter waren in der Regel freundlich und aufgeschlossen und gaben die notwendigen Auskünfte. Sobald sie jedoch erfuhren, dass die eigentlichen Mietinteressenten eine türkische Familie mit zwei kleinen Kindern waren, kam plötzlich die Antwort, es täte ihnen leid, aber gerade erführen sie, dass der Ehepartner die Wohnung bereits vergeben habe. An Türken wollten viele Eigentümer nicht vermieten. Das war jedoch das geringere Übel. Weit gravierender war, dass sich die meisten Wohnungen, die aufgrund ihres Preises in Frage kamen, als absolute Bruchbuden entpuppten.
Unser neues Zuhause war eine Zweieinhalb-Zimmer-Wohnung mit Kohleheizung und natürlich wieder ohne Bad. Die Wohnung bestand aus einer Küche, einem Wohn- und einem Schlafzimmer. Die Küche war ein Durchgangszimmer. Links davon lag das Schlafzimmer, rechts davon gelangte man ins Wohnzimmer. Der große Vorteil der Wohnung bestand darin, dass sie möbliert war. Da wir zu dem Zeitpunkt keineeigenen Möbel besaßen, kam uns das sehr entgegen. Wie viele Migranten waren meine Eltern nur mit zwei Koffern nach Deutschland eingereist. Allerdings war der Preis von 1500 DM für die Übernahme der Möbel vermutlich überhöht. Aber was blieb uns anderes übrig.
Wir Kinder schliefen gemeinsam mit unseren Eltern im Schlafzimmer. Das Zimmer hatte neben einem Kleiderschrank und Ehebett noch ein Etagenbett für uns. Der bei Kindern häufig entstehende Streit, wer denn nun unten und wer oben schlafen dürfe, blieb aus. Ich schlief gerne unten. So konnte ich in dem mit Möbeln vollgestellten Zimmer immer Hand in Hand mit meinem Vater einschlafen.
Türkische Bekannte kannten den Vermieter, denn sie wohnten im Nachbarhaus. Er war Türken als Mietern gegenüber recht aufgeschlossen. Unsere Nachbarn im
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