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Doener, Machos und Migranten

Titel: Doener, Machos und Migranten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betuel Durmaz
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hätte für die Erwachsenen knapp 1000 DM (also etwa 500 Euro) und pro Kind 300 bis 400 DM (also 150 bis 200 Euro) gekostet und war für uns unerschwinglich. Benzin, ADAC-Schutzbrief und der Zoll für den mitgebrachten Fernseher oder die Stereoanlage kosteten nur 500 DM (250 Euro) plus die 100 DM (50 Euro), die man damals in Bulgarien zwangsumtauschen musste. Dazu kamen noch Zigarettenstangen, Coca-Cola-Dosen, Feuerzeuge und Kugelschreiber für die Verkehrspolizisten. Unter dem Strich kamen wir so deutlich billiger weg.
    Wenn möglich, fuhren wir in einer Karawane mit zwei anderen türkischen Familien, damit wir uns gegenseitig vor nächtlichen Überfällen schützen konnten. Immer wieder hörten wir von Reisenden, die allein unterwegs waren, dass sie nachts auf den menschenleeren Rastplätzen in Jugoslawien und Bulgarien ausgeraubt worden waren.
    In Österreich machten wir meist noch einmal ausgiebig Rast, damit meine Eltern ihren letzten ordentlichen Kaffee trinken konnten. Österreich wirkte auf uns recht exotisch. Die Menschen trugen eigenartige Trachten und redeten ein Deutsch, das wir nicht verstanden. Sie waren uns nicht weniger fremd als wir ihnen, aber wir fühlten uns nicht unwohl.An der Fensterscheibe zogen sanfte Hügel, sattgrüne Wiesen und gefleckte Kühe vorbei.
    Die wirkliche Fremde begann nach dem Passieren der Grenze zu Jugoslawien. Die Grenzpfosten markierten den Eintritt in die «Vorhölle». Wir aßen nur noch unsere Vorräte, die meine Mutter eingepackt hatte. Die Gaststätten, an denen wir hätten halten können, waren meist überteuert und das Essen ungenießbar. Die Menschen, die um das Auto herumlungerten, kamen uns unheimlich vor. Im Vergleich zu Deutschland und Österreich erschien die Landschaft ausgetrocknet, leer und rau. Überall lagen schrottreife Autos und verrostete Lastwagen an den Straßenrändern. Manchmal ließ sich ein Zwischenstopp nicht vermeiden, denn gewisse menschliche Bedürfnisse mussten erledigt werden. Das taten wir so schnell wie möglich, damit wir die rudimentären Toiletten und die abweisenden Menschen rasch hinter uns lassen konnten.
    Nach der «Vorhölle» erreichten wir die richtige «Hölle». Sie trug den Namen «Bulgarien». Wer nicht genügend Instantkaffee, Zigaretten, Schokolade oder Coca-Cola dabei hatte und wer nicht genau wusste, wie man damit die bulgarischen Zöllner unauffällig bestechen konnte, der verbrachte grundlos viele Stunden am Grenzübergang. «Komsu» (Nachbar) riefen sie ins Auto. «Hast du etwas zu verzollen?» Nicht nur ein «Nein», sondern eine «kleine Gabe», bestehend aus Nescafe oder einer Stange Zigaretten, öffneten die Grenze. Für die Zöllner bedeutete dies wahrscheinlich die Möglichkeit, ein wenig am westlichen Lebensgefühl zu schnuppern. Die Strecke fuhren wir am liebsten ohne Pause durch. Die meisten Dörfer, durch die wir fuhren, kamen mir wie eine Mischung aus Geisterstadt und Armenviertel vor.
    Nach 48 Stunden hatten wir den türkischen Grenzübergang in «Edirne Kapikule» erreicht. Kurz vor der Grenze erwachten wir mit verquollenen Augen aus unserer Lethargie undrutschen aufgeregt auf unseren Sitzen hin und her. Zwischen der bulgarischen und türkischen Grenze musste man mit dem Auto durch tiefe Pfützen fahren, die die Zöllner angelegt hatten. Es durfte kein Körnchen bulgarische Erde am Reifen in die Türkei gelangen. Über den Grenzhäuschen der türkischen Zöllner hing ein großes Plakat. Auf rotem Hintergrund stand in weißer Schrift «Ne mutlu türküm diyene», was so viel bedeutet wie «Glücklich, der sich Türke nennen darf».

    Jedes Mal, wenn wir die Grenze passiert hatten, herrschte eine Stimmung wie auf einem Jahrmarkt. Lange Autoschlangen, mit Neonlicht beleuchtete Straßen und Grenzerhäuschen. Unendlich viele Familien mit unendlich viel Gepäck. Wir zogen vorbei an schreienden Kindern, betenden Männern und lachenden Frauen. Einzelne Autos wurden nach Zollware durchsucht. Jede türkische Familie hatte immer mindestens einen kleinen Fernseher, eine Stereoanlage, eine Kaffeemaschine oder andere Elektroartikel dabei. Niemand gab alles bei den Zöllnern an. Wer Pech hatte, der erhielt die Aufforderung, das gesamte Gepäck, das mühsam im und auf dem Auto verstaut worden war, auszuladen. Dann herrschte Chaos pur. Die Einreise in die Türkei war also keinesfalls eine Vergnügungstour. Dennoch fühlten sich meine Eltern bei weitem nicht so hilflos wie an den vorherigen Grenzübergängen, denn hier

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