Doener, Machos und Migranten
beispielsweise eine Schülergruppe für die nächste Schulfeier einkaufen soll, können Tätigkeiten wie Lesen (z.B. Prospekte von Lebensmittelgeschäften), Schreiben (Einkaufszettel), Rechnen (Preisvergleiche, Einbeziehung der vorhandenen Geldmenge in die Einkaufsplanung, Berechnung der voraussichtlichen Kostenusw.) in einem logischen und für die Schüler einsehbaren Zusammenhang eingeübt werden.
Wiederholung: Ohne geplante, zielgerichtete Wiederholungen und Übungen geht es nicht. Üben an abwechslungsreichem Material, häufige Abänderung der Aufgabenstellung und ständig neue Motivation der Schüler unterstützen den Erfolg. Lernen in Sinnzusammenhängen erleichtert das Behalten.
Differenzierung: Da in unserer Schulform vorzugsweise eine altersgerechte Einstufung erfolgt, ergeben sich für die einzelnen Lerngruppen sehr unterschiedliche Lernvoraussetzungen der einzelnen Schüler. Diese Unterschiede müssen bei der Aufgabenstellung berücksichtigt werden. So ist es auch möglich, einen leistungsstarken Schüler im Fach Mathematik eine Klasse höher zu beschulen.
Nicht nur die Lernvoraussetzungen meiner Schüler sind heterogen, sondern auch ihre Herkunft. In meiner ersten Schulklasse saßen Schülerinnen und Schüler mit unterschiedlichem Migrationshintergrund. Neben libanesischen Mädchen und Jungen gab es albanische, türkische und kurdische Kinder sowie Sinti und Roma. Lediglich zwei Schüler hatten deutsche Eltern. Das Durchschnittsalter der Schüler in meiner Klasse lag bei elf Jahren. Viele hatten schon Erfahrungen des Scheiterns in der Grundschule hinter sich, ein paar waren bereits seit einigen Jahren auf der Förderschule.
Das war der Beginn. Allerdings verändert sich die Zusammensetzung einer Förderklasse immer wieder. So bekommt die Klasse durch abgeschlossene Testverfahren (AO-SF) oder neu Hinzugezogene Zuwachs, oder es fehlen plötzlich Schüler, weil sie ohne Vorwarnung mit ihren Familien umgezogensind. Meist haben die Kinder noch nicht einmal die Möglichkeit, sich von ihren Mitschülern oder von mir zu verabschieden. Diese Form der Bindungs- bzw. Beziehungslosigkeit macht nicht nur den Kindern zu schaffen.
Nach einer Woche stellte mir der Schulleiter eine für mich sehr befremdliche Frage. Er wollte wissen, ob es mir etwas ausmache, so viele ausländische Kinder in meiner Klasse zu haben. Mit meinen Augen betrachtet gab es, wenn überhaupt, nur zwei ausländische Schüler.
Schülerschicksale in Gelsenkirchen
1. In den Fußstapfen des Vaters – Baker
Noch bevor ich Baker persönlich kennen lernte, hörte ich von meiner Kollegin einige weniger amüsante Geschichten über ihn. Meine Kollegin leitete die Parallelklasse 4, in der jedoch aufgrund einer zu großen Schülerzahl kein geregelter Unterricht möglich war. Daher beschloss die Schulleitung, die Klasse zu teilen. Die neu entstandene Klasse sollte ich übernehmen.
Mit Baker und seiner Familie hatte es zuletzt gegen Ende des dritten Schuljahrs massive Probleme gegeben. Deshalb bestand die Schulleitung darauf, dass Baker in meine Klasse kam, denn sie hoffte, dass ein Neustart mit einer neuen Lehrerin eingefahrene Verhaltensmuster auf beiden Seiten entzerren könnte. Lehrerin und Schüler begannen sozusagen bei Null. Auch meine Kollegin war zufrieden und vertraute im Fall Baker auf die Fähigkeiten einer neuen Kollegin.
Baker war zwar erst zehn Jahre alt, als ich ihn zum ersten Mal sah, doch er hatte bereits eine längere «schulische Karriere» hinter sich. Schon in der 1. Klasse der Grundschule war wegen massiver Verhaltensprobleme ein Testverfahren eingeleitet worden. Ergebnis: Fortan besuchte Baker die Förderschule für emotionale und soziale Entwicklung. Noch vor ein paar Jahren wurde diese Form «Schule für Erziehungshilfe» genannt. Dort fiel Baker im Unterricht schnell durch sein aggressives und brutales Verhalten auf. LautAusbildungsordnung des Schulgesetzes heißt es: »Eine Erziehungsschwierigkeit liegt vor, wenn sich eine Schülerin oder ein Schüler der Erziehung so nachhaltig verschließt oder widersetzt, dass sie oder er im Unterricht nicht oder nicht hinreichend gefördert werden kann und die eigene Entwicklung oder die der Mitschülerinnen oder Mitschüler erheblich gestört oder gefährdet ist.» Die Schülerinnen und Schüler der Förderschule für emotionale und soziale Entwicklung werden nach den Richtlinien der Sekundarstufe I unterrichtet. Das bedeutet, bei ihnen gibt es massive Erziehungsschwierigkeiten,
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