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Doener, Machos und Migranten

Titel: Doener, Machos und Migranten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betuel Durmaz
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massiv. Sobald ihm eine Äußerung eines Mitschülers nicht gefiel, konnte es passieren, dass er Hefte und Bücher des Jungen auf den Boden warf oder aber auch gleich den ganzen Tisch umstieß. In den Pausen wie auch immer wieder im Fachunterricht war Baker in zahllose Prügeleien verwickelt. Schlimme verbale Beleidigungen bei kleinen Auseinandersetzungen war noch das Harmloseste. Viel häufiger jedochverlor Baker wegen Kleinigkeiten die Beherrschung und schlug und trat mit einer unverständlichen Brutalität auf Mitschüler ein – etwa wenn er glaubte, ausgelacht worden zu sein. Wenn Bakers Mannschaft im Sportunterricht verlor, konnte es passieren, dass er seine Mitspieler dafür verantwortlich machte. Im günstigsten Fall konnte anschließend eine Prügelei gerade noch vermieden werden. Schulregeln, Vereinbarungen und Anordnungen konnte er nicht einhalten. Trotz zahlreicher Gespräche inner- und außerhalb der Klasse verfiel er immer wieder in die gleiche unbeherrschte Verhaltensweise.
    Doch Baker war in seiner Familie kein Einzelfall. Sein älterer und sein jüngerer Bruder, die ebenfalls unsere Schule besuchten, legten das gleiche Verhalten an den Tag. Dabei drangsalierten sie nicht nur ihre Mitschüler, sondern schlugen auch brutal aufeinander ein. Das eigentlich übliche Geschwisterverhalten – die größeren Geschwister beschützen die jüngeren – fehlte bei ihnen völlig. Kam es zu einem Konflikt, hatten die aufsichtsführenden Lehrer während der Pause Probleme, die Geschwisterkinder voneinander zu trennen, und je älter und kräftiger sie wurden, desto schwieriger gestaltete sich das. Erschreckenderweise ließen die Brüder es aber nicht nur sich selbst gegenüber, sondern auch gegenüber ihren Eltern an Respekt fehlen und äußerten die übelsten Beschimpfungen.
    Kurze Zeit nachdem ich die Klasse übernommen hatte, bat ich Bakers Mutter mehrfach zu Gesprächen in die Schule. Eine Kontaktaufnahme mit dem Vater hätte keinen Sinn gemacht, da er als strenggläubiger Moslem mit mir als Frau nicht gesprochen hätte. Nach jedem Gespräch mit der Mutter war Baker in den folgenden Tagen sehr verängstigt und noch introvertierter als sonst. Eines Tages entdeckte ich zahlreiche Blutergüsse an seinem Körper. Ich fragte ihn, was denn da passiert sei, und erhielt die Antwort, er habe sich mit seinem Bruder geprügelt und sei gefallen. Diese Darstellung klangaufgrund des Umgangs der Geschwister miteinander durchaus plausibel. Im Laufe der Zeit verhärtete sich Bakers Gesichtsausdruck zusehends und wollte bald gar nicht mehr zu seinem kindlichen Körper passen.

    Eines Tages bat ich meine Schüler, am nächsten Morgen erst zur dritten Stunde zur Schule zu kommen. Ich musste im Rahmen eines Testverfahrens ein Grundschulkind testen. Da Baker auch oft nach Schulschluss nicht nach Hause ging, bat ich ihn ausdrücklich, erst um 10 Uhr zur Schule zu kommen. Er versprach mir ausdrücklich mit dem islamischen Schwur «Wallah», was so viel bedeutet wie «ich schwöre mit Allah», nicht vor der angegebenen Zeit zu erscheinen.

    Erfahrungsgemäß unterhielt Baker sich gerne mit anderen Schülern durch die Fensterscheibe, deren Klasse im Untergeschoss des Schulgebäudes lag. Er hatte auch keine Hemmungen an die Scheiben zu klopfen oder die Türen aufzureißen. Kein Kunstwerk in den Schulfluren war vor ihm sicher.
    Wenn ich jedoch geglaubt hatte, ich könnte ihm vertrauen und er würde sich an sein Versprechen halten, dann wurde ich am nächsten Morgen eines Besseren belehrt. Schon um kurz nach 8 Uhr sorgte er in der Schule für Unruhe. Schließlich balancierte er auf dem menschenleeren Schulhof auf einem Metallzaun herum. Dabei rutschte er ab und schlug mit der Wange so unglücklich auf das Metall, dass er mit dem Schulleiter im Notarztwagen ins nächste Krankenhaus gebracht werden musste. Baker hatte sich einen tiefen Riss in der Wange zugezogen, der mit etlichen Stichen genäht werden musste. Obwohl der Schulleiter die Eltern telefonisch von dem Unfall unterrichtete, kamen sie nicht ins Krankenhaus. Nach ein paar Stunden wurde Baker mit einer winkelförmigen Wunde im Gesicht entlassen. Wo er hinging, entziehtsich meiner Kenntnis, vermutlich jedoch nicht direkt nach Hause.
    Als ich ihn am nächsten Tag besorgt auf den Unfall und seine Schmerzen ansprach, tat er dies mit einem «Ach, halb so wild» und einer betont lässigen Handbewegung ab. Baker war es gewohnt einzustecken. Er behauptete, seine Eltern hätten nichts zu dem

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