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Doener, Machos und Migranten

Titel: Doener, Machos und Migranten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betuel Durmaz
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im Istanbuler Stadtteil Bakirköy. Er liegt im Süden der Stadt und ist heute Standort des Atatürk-Flughafens. In Bakirköy besuchte meine Mutter die Höhere Handelsschule und machte eine Ausbildung zur Sekretärin. Meine Oma arbeitete als Arbeiterin in einer Textilfabrik.
    Mein Opa, ein Polier, hatte sich von der Familie getrennt und war in seine Heimatstadt Rize am Schwarzen Meer zurückgekehrt. Die Bewohner der Stadt, die nahe der Grenze zu Georgien liegt, gelten als die Ostfriesen der Türkei. Nahezu jeder Türke kennt einen Witz über die «Rizelaner». Gibt ein Türke bei der Frage nach seiner Herkunft zu, aus Rize zu stammen, erscheint sofort ein breites Grinsen auf den Gesichtern der Umstehenden. Nach der Trennung hatte meine Großmutter keinen Kontakt mehr zu ihrem Mann. Meine Mutterhat ihrem Vater diese Trennung, deren Gründe sie bis heute nicht kennt, nie verziehen. Mein Bruder und ich haben unseren Großvater nie kennen gelernt – es gibt noch nicht einmal mehr ein Foto von ihm. Eine solche Trennung war in der damaligen Zeit etwas höchst Ungewöhnliches.
    Nach dem Besuch von Tante Hayriye war die Sache für meine Großmutter klar. Sie war eine resolute und korpulente Frau und ließ meiner Mutter nicht die Wahl, sich gegen eine Hochzeit zu entscheiden. Da meine Oma bereits fünf Söhne großgezogen hatte und lange auf sich allein gestellt war, wollte sie ihre einzige Tochter gut verheiratet wissen. Zudem war die finanzielle Situation nicht gerade rosig, denn in der damaligen Türkei gab es keine gesetzlich geregelten Unterhaltszahlungen im Trennungsfall. Daher musste die Familie mit dem Einkommen meiner Oma auskommen. Zusätzliche Unterstützung erhielt die Familie von ihrem Sohn Akif, der als Lkw-Fahrer zum Unterhalt beitrug. Oma, Tochter und Sohn lebten damals gemeinsam unter einem Dach.
    Meine Oma war Diabetikerin und konnte bei Unterzuckerung recht aufbrausend reagieren. Medikamente, die ihren Blutzuckerspiegel regulierten, gab es damals nicht. Dementsprechend hatte sie ein ziemlich dünnes Nervenkostüm. Stand z.B. das Essen nicht pünktlich auf dem Tisch, schrie und tobte sie. Körperliche Züchtigung betrachtete sie als selbstverständliche Erziehungsmethode und setzte sie auch entsprechend ein.
    Meiner Mutter blieb keine Alternative und sie musste der Verlobung und der Verheiratung zustimmen. Vermutlich störte es sie auch nicht sonderlich, ihrem Elternhaus zu entkommen, denn es bot nur wenig Geborgenheit und Wärme. Da in islamischen Gesellschaften die Ehre der Familie vom Verhalten der weiblichen Mitglieder abhängig gemacht wird, verfügte meine Mutter über nur wenig Freiraum. Eine Heiratwar die einzige Möglichkeit, ein weitgehend selbstbestimmtes Leben zu führen. Nach der Schule und der Büroarbeit musste sie sofort nach Hause kommen. Dort war sie für den gesamten Haushalt zuständig, d.h. sie musste kochen, die Wohnung sauber halten und die Wäsche erledigen. Waschmaschinen gab es damals noch nicht, das Waschen war anstrengende Handarbeit. Erst einige Zeit später – als sie schon verheiratet war – kam meine Mutter in den Genuss einer halbautomatischen Waschmaschine. Diese Maschinen wuschen die Wäsche von selbst. Allerdings musste sie anschließend noch mit der Hand durch eine außen befestigte Walze ausgewrungen werden.
    Istanbul war damals, wie bereits erwähnt, noch nicht so dicht bevölkert wie heute. Die einzelnen Stadtteile, in denen die Menschen lebten und arbeiteten, bildeten geschlossene Mikrokosmen. Man kannte sich und achtete darauf, was beim Nachbarn geschah. Wenn sich meine Mutter nicht so verhalten hätte, wie es von Frauen erwartet wurde, wäre dies sehr schnell ihren fünf älteren Brüdern und ihrer strengen Mutter zu Ohren gekommen. Sofort hätten Ruf und Ehre auf dem Spiel gestanden und damit das oberste Gut einer Familie. Die soziale Kontrolle war permanent vorhanden und ein unverheiratetes Mädchen barg ein gewisses Risiko für die Familie. Je eher sie verheiratet wurde, desto besser.
    Ein Mädchen musste spätestens bis zu ihrem zwanzigsten Lebensjahr verheiratet werden. Jenseits der zwanzig galt sie als zu alt und ihre Verheiratung wurde erschwert. Sie kam schnell ins Gerede. Gerüchte machten die Runde. Was stimmte nicht mit dieser Frau? War sie krank oder war sie womöglich keine Jungfrau mehr? War sie auf der Straße mit fremden Männern gesehen worden? Angesichts ihrer 17 Jahre und ihrer Lebensumstände war für meine Mutter nun die Zeit einer

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