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Dönerröschen

Titel: Dönerröschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaromir Konecny
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Wir hockten in einem Film! Echt!
    Bebisch packte es aus: »Mein Glücksbringer!«, rief sie. »Mein Skarabäus!«
    »Du hast den Käfer damals wohl bei meiner Tante liegen lassen«, sagte ich. »Als du mir davon erzählt hast, erinnerte ich mich, ein solches Ding zwischen Tante Johannas Sachen gesehen zu haben. Der alte Koffer von meiner Tante liegt bei uns im Keller. Jetzt habe ich da den Käfer rausgebuddelt.«
    »Siehst du?«, sagte Bebisch. »Dem Schicksal rennst du nicht davon.«
    »Alles ist ein Zufall«, sagte ich. »Weißt du, warum ein Skarabäus Glück bringt?«
    »Muss es immer einen Grund geben?«, fragte Bebisch. »Mein Onkel hat mir erzählt, das sei ein Glücksbringer, und das hat mir gereicht.«
    Sieh mal an! Gründe interessierten sie nicht? Und wann sollte ich mit meinem Wikipedia-Wissen prahlen, wenn sie der Sache nicht auf den Grund gehen wollte? Krass, oder? Du liest dir die Augen am Bildschirm wund und dann kannst du das Mädchen deiner Träume nicht mal zutexten damit? So leicht würde sie mir nicht davonkommen: »Im alten Ägypten hat man den Skarabäus mit der Sonne und dem Leben zusammengebracht«, sagte ich. »Ein Skarabäus wälzt vor sich eine Dungkugel, in die er seine Larven legt. Die alten Ägypter dachten, die kleinen Käfer würden direkt aus dem Dung schlüpfen, also aus dem Nichts entstehen. Der Skarabäus würde seine Kinder selbst erschaffen. Wie Gott uns aus Lehm. Außerdem erinnerte die rollende Kugel die Ägypter an die Sonne. Und die Sonne war bei den alten Ägyptern der Gott. Gott und Leben – also Glücksbringer.«
    Bebisch spielte weiter mit ihrem Skarabäus. »Du weißt sehr viel!«, sagte sie. Hoho! Krass wie dir ein kurzer Check bei Wikipedia Pluspunkte brachte. Ab jetzt musste ich mir jeden Abend eine Stunde Wiki reinziehen und ihr jeden Tag was ganz Schlaues um die Ohren hauen. Dok sagte mal, dass Frauen auf intelligente Männer stehen. »Wie mich!«, sagte Dok damals und Anne kreischte ihn an, er solle gefälligst für ein paar Minuten den Mund halten, dieses ständige Gelaber ohne jede Tiefe könne doch keiner aushalten.
    Plötzlich flüsterte mir der Fluss zu: »Überlasse deine Entscheidungen nicht den anderen. Schaue, höre, handle!« Mann! Warum hatte ich mich durchs Warten auf irgendwelche blöden Prüfungen verunsichern lassen, statt schon längst mit meinem Pflug das Feld zu beackern?
    Doch mein Dornröschen war wie immer schneller als ich: »Jetzt darfst du mich wachküssen!«, sagte sie. Na dann! Befehl ist Befehl! »Das hat aber gedauert«, sagte sie, als ich wieder Atem holen wollte. Bei Frauen ist es echt schwierig, den Durchblick zu behalten. Hab schon gedacht, Küssen wäre bei den Türken erst nach der Hochzeit erlaubt, und plötzlich waren wir mittendrin.
    Wir küssten uns wieder und der Fluss flüsterte mir dabei zu: »Nur jetzt nicht stehen bleiben! Weiter gehen!« Aber ich flog sowieso schon in den glühenden Schlund des Schicksalsbergs und war heiß wie ’ne Grillkartoffel. Noch hielt ich sie umarmt, eine Sekunde später aber fuhr meine Hand unter ihr T-Shirt, als ob ich dort ’ne Bowlingkugel zum Rollen bringen wollte. Einfach so. Ohne Absicht meinerseits. Meine Hand hatte sich selbstständig gemacht. Echt! Mit einer Kung-Fu-Technik fegte Bebisch meine Hand weg.
    »Nicht jetzt!«, sagte sie.
    »Wann denn?«
    »Wenn ich erwachsen bin.«
    »He? Erwachsen? Das kann noch ein paar Jahre dauern, oder?«
    »Nee«, sagte Bebisch.
    »Wann bist du dann erwachsen?«
    »Am Mittwoch!«
    »Am Mittwoch? Du bist am Mittwoch erwachsen?«
    »Ja! Du weißt doch, dass ich am Mittwoch sechzehn werde.«
    »Ach so. Bist du aber sicher, dass du nicht vier Tage früher geboren bist? Im Krankenhaus werden eine Menge Babys verwechselt, weißt du? Wäre schade, wenn du wegen eines Fehlers so wichtige Sachen falsch einplanen würdest. Bei Facebook hat mal ein Astrologe geschrieben, dass die Sterne fürs Kuscheln immer günstig stehen.«
    Sie kicherte. »Nur Geduld!«

Die Enthüllung
    Klar gab ich nicht auf. Vielleicht würde die Nacht sie noch zur Vernunft bringen. Hand in Hand liefen wir noch ein Stück weiter von Bebischs grillenden Cousins, Cousinen, Tanten und Onkeln, von ihrer krass großen Familie, weg, rein in den Wald, so weit, bis wir – immer noch Händchen haltend – Baba in die Arme stolperten. Im hellen Mondschein tauchte er vor uns auf wie Dschingis Khans Späher. In der Rechten schwenkte er seinen Speer, einen frisch abgeschnittenen Stock, in der Linken

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