Dönerröschen
ein brutales Fleischermesser. Mann! In was sich ein Grillhilfsgerät in kürzester Zeit verwandeln konnte! Bebisch drückte mir vor Schreck die Hand und ließ sie los. Ich griff mir ihre Hand wieder. Schluss mit dem Versteckspiel! Ich guckte Baba direkt in die Augen. »Ich liebe Ihre Tochter«, sagte ich. »Und jetzt können Sie mir deswegen ruhig den Schniedel abschneiden. Oder mich gleich umbringen.«
Baba runzelte die Stirn. Zumindest glaubte ich, sein Stirnrunzeln im Mondschein zu erkennen. »Ich bringe doch keine Lebewesen um. Ich bin bei den Grünen. Und wenn ich dir jetzt den Schniedel abschneide, würde ich keine Enkel bekommen. He, he, he …«
»Baba!«, rief Bebisch. »Klopf bitte nicht solche Sprüche!«
So klopfte Baba mir auf die Schulter. »Du kannst mich duzen, Josch. Zumindest, bis du etwas anstellst.«
Klar musste ich noch abchecken, was mir Bebisch über die Säbel in seinem Schlafzimmerschrank erzählt hatte. Unauffällig. Als wollte ich auch einen Scherz machen. »Hast du denn überhaupt keine Waffen?«, fragte ich. »Zum Beispiel im Schlafzimmerschrank versteckt, hi, hi, hi?«
»Im Schlafzimmerschrank verstecke ich nur Kondome«, sagte Baba.
»Jetzt reicht’s!«, sagte Bebisch.
»Allah!«, rief Baba plötzlich auf. »Oma!«
»Wo?«, krächzte Bebisch vor Angst.
Doch Baba beruhigte sie gleich. »Nicht hier! Mir ist nur eingefallen, dass sie ja zu Besuch bei uns ist. Sollte Oma euch auf die Schliche kommen, bringt sie uns alle um.«
»Baba?«, rief Mediha vom Ufer. Baba war für die ganze Familie »Baba«, auch für seine Frau. Ob Oma zu ihm auch »Baba« sagte? Das würde sich bald herausstellen.
»Hier sind wir!«, rief Baba.
Medihas Taschenlampe suchte den Wald ab. Bei uns angekommen peilte sie die Lage sofort. »Ich wusste es doch«, sagte sie. »Das wird meine Mama nicht überleben. Sie hat für Sibel schon einen Jungen in unserem Dorf in der Türkei ausgesucht.«
»Was?«, brüllte Bebisch. »Was denkt sie sich dabei? Ich gehe mit keinem Jungen, den ich nicht kenne.«
»Ja, ja …« Baba klopfte ihr auf den Rücken. »Das ist uns klar. Wir müssen das mit Oma aber sehr vorsichtig angehen. Als ich deine Mutter heiraten wollte, hat Oma mir Medihas Brüder auf den Hals gehetzt. Die hätten mich fast umgebracht …«
»Jetzt übertreib nicht«, sagte Mediha.
»Wieso umgebracht?«, fragte ich. »Du bist doch auch Türke.«
»Für die Oma kein richtiger«, sagte Baba. »Ich bin in Deutschland geboren. Mediha habe ich bei einem Urlaub in der Türkei kennengelernt. Für ihre Mutter bin ich Almancilar – Deutschländer. Oma wollte ihre Tochter nur jemandem aus ihrem Dorf geben. Schon zwei Dörfer weiter in Anatolien ist für Oma Ausland. Als ich Mediha heiraten wollte, musste ich mich bewaffnen und sie aus ihrem Dorf entführen. Man hat auf uns geschossen …«
Mediha lachte. »Baba hat auf mich mit dem Taxi an der Busstation gewartet. Bewaffnet mit einer Banane. Der Einzige, der dort geschossen hat, war der Busauspuff.«
»Du solltest den Kindern nicht solch schöne Geschichten kaputt machen«, sagte Baba.
»Baba hat aber recht«, sagte Mediha. »Ihr dürft euch jetzt nicht so oft sehen. In drei Wochen fliegt meine Mutter zurück in die Türkei, dann müssen wir keine Angst mehr haben.«
»Ich warte keine drei Wochen«, sagte Bebisch. »Ich habe auf ihn jetzt sechs Jahre lang gewartet.«
»In der Stadt könnt ihr euch ja sehen«, sagte Baba. »Da kommt Oma sowieso nicht hin. Josch sollte aber nicht zu uns kommen.«
»Ich will aber, dass Josch am nächsten Wochenende mit uns zur Tante nach Franken fährt«, sagte Bebisch.
»Waas?«, sagte Baba. »Bist du verrückt geworden?«
»Sibel!«, sagte Mediha. »Du weißt, dass das nicht geht. Zu meiner Schwester nach Franken kommt doch auch deine Oma mit.«
Baba regte sich immer mehr auf: »Das geht überhaupt nicht! Das wäre doch der Wahnsinn! Oma macht Köfte aus uns, wenn sie entdeckt, dass du mit unserem Wissen einen deutschen Freund hast.«
»Josch kann doch als Freund von Danis mitkommen«, sagte Bebisch. »Vielleicht gewöhnt Oma sich ja an Josch.«
Mediha seufzte. »Mädchen, das wird nicht gut gehen. Meine Mutter merkt doch sofort, dass wir sie belügen. Wieso sollte Danis einen deutschen Freund zu meiner Schwester mitnehmen, wenn sich dort nur unsere Familie trifft?«
»Weil Danis … weil Danis Nachhilfe in Mathe braucht.«
»Ich hab einen Einser in Mathe«, sagte Danis. Er war aus dem Wald aufgetaucht wie Robin
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