Dog Boy
Metalldeckel wieder auf sein Loch und ging rasch davon. Romotschka fand das sehr aufschlussreich und gleichzeitig beängstigend. Er wagte nicht, in das Loch hinabzusteigen; vielleicht wäre er dann mit den bomschi eingeschlossen. Ihm fiel auch auf, wie schnell diese sich auf der Straße bewegten. Sie wussten, dass sie hier nicht sicher waren.
Es war ein schrecklich karger, ungemütlicher Ort. Nirgends konnte man stehenbleiben und überlegen. Da er fürchterlich müde war, beschloss Romotschka, nach einer sicheren Höhle zu suchen und sich am nächsten Tag um Nahrung und Wasser Gedanken zu machen.
Sie schlüpften auf ein umzäuntes Abrissgrundstück, um dem unaufhörlichen Stapfen der schweren Schritte und den schnell fahrenden Autos zu entkommen. Hier war alles ruhig, die Motoren der riesigen Bulldozer waren für die Nacht verstummt. Sie kletterten über einen Schutthaufen, der fast so hoch war wie ein Gebäude. Die Sommerluft war voller Staub, und als sie sich im Schutt an einer Eckwand niederließen, merkte Romotschka, wie durstig er war. Weiße Schwester hechelte.
Die Geräusche und Gerüche der Stadt wehten nur noch gedämpft zu ihnen herüber, und dennoch schliefen die beiden unruhig und wachten mit dem Morgengrauen auf. Ein klarer Himmel spannte sich über die Stadt. Es würde heiß werden.
Romotschka rieb sein schmutziges Gesicht und schaute sich um. Auf dem Gelände erhob sich ein hoher Schutthaufen voll bunter Ziegelsteine – einige waren auf einer Seite voll Putz und hellblauer Farbe; manche gelb; andere tapeziert. Die Eckwand, in deren Schutz sie gelegen hatten, war wie ein kaputter Zahn zur Seite geneigt, der beschädigte Putz oben zersplittert und schartig, doch aus der Nähe betrachtet schien er irgendwie heimelig und zugleich seltsam.
Am Maschendrahttor klirrten die Ketten. Zeit zu gehen. Sie kletterten über den Schutt zur anderen Seite, krochen unter dem Zaun hindurch in eine Gasse und machten sich aus dem Staub. Auf der Suche nach etwas Essbarem oder einem Schluck Wasser liefen sie ziellos umher. Sie fingerten an jedem Müllcontainer herum, wurden aber bei den wenigen, die Romotschka öffnen konnte, sogleich verjagt. Seit dem Kohl, dem Brot und den Hühnerknochen war schon viel Zeit verstrichen. Der Bauch von Weiße Schwester wirkte eingefallen. Als sie dem Geruch von Wasser folgend eine kleine Gasse entlangliefen, erfüllte leise Musik die Luft. Romotschka war so durstig und hungrig und hatte so große Angst, dass er gar nicht an Musik denken konnte, hob aber dennoch den Kopf, weil ihm der liebliche Klang durch Mark und Bein ging.
Er blieb stehen und schaute sich um: Diese Gebäude, sie kamen ihm bekannt vor. Es waren die flachen Kuppeln, die er auf den Bildern an den Wänden der Metrostationen gesehen hatte, aber diese hier waren echt und rund wie Pfirsiche. Das Schlimmste aber war, dass in einiger Entfernung ein riesiger brauner Wasserlauf durch die Lücken zwischen den Gebäuden lugte, der in der Nachmittagssonne glitzerte. Romotschka rang nach Luft und hielt sich wankend anWeiße Schwester fest. Es bestand kein Zweifel. Er schloss die Augen, um sein Entsetzen zu lindern.
Sie waren auf der anderen Seite des großen Flusses.
Er spürte, dass sie sich ein ganzes Stück flussabwärts von ihrem Zuhause befanden. Der Zug war in Richtung Roma gefahren, zwischen aufgehender und untergehender Sonne, nur viel, viel weiter. Sie mussten irgendwie über den Fluss gelangen, dann stromaufwärts gehen, bis er auf das Flüsschen traf, das er von der Außengrenze seines Stadtreviers kannte, dann die Richtung zwischen untergehender und aufgehender Sonne einschlagen, bis er den Romapfad fand, und schließlich nach Hause zurückkehren. Doch vorher mussten sie etwas zu fressen finden.
Er setzte sich unter einen Baum und schaukelte wimmernd hin und her. Die Rolltreppe war so lang, so tief unter der Erde! Konnte der Zug wirklich unter dem Fluss hindurchgefahren sein? Er hatte nie einen Gedanken daran verschwendet, dass der Fluss einen Boden haben könnte. Romotschka sank nieder und krümmte sich um seinen leeren Magen, doch Weiße Schwester ließ ihn nicht in Ruhe. Sie leckte ihm Gesicht und Hände, vergrub die Schnauze unter seinem Körper und stupste ihn auffordernd. Dann starrte sie ihn zuversichtlich und konzentriert an. Er war der Anführer. Auch sie wusste, dass sie Nahrung finden mussten und sich in dieser Gegend voll unbekannter Pfade und Grenzen nicht getrennt auf die Suche machen durften.
Am
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