Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dog Boy

Dog Boy

Titel: Dog Boy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Hornung
Vom Netzwerk:
Kreischen lief der Zug ein. Zischend öffneten sich die Türen, und plötzlich wurde er von allen Seiten durch das Gedrängel der Einsteigenden und Herausströmenden, die an der Bahnsteigkante zusammentrafen, eingeklemmt und in den Zug gespült. Im Inneren des Wagens spürte er plötzlich Weiße Schwester nicht mehr neben sich. Die Leute drängten sich an seinen Körper, und er bekam panische Angst. Hätte sich das Gedränge nicht plötzlich aufgelöst und wieder in einzelne Personen aufgespalten, die entweder saßen, sich über ihren Köpfen festhielten und den Blicken der anderen auswichen oder mit leerem Gesichtsausdruck ins Nichts starrten, hätte er bestimmt wild um sich geschlagen, um sich aus dem Gewühl zu befreien. Als die Leute ihn rochen, bemühten sie sich, auf Abstand zu gehen, und im Nu hatte er jede Menge Platz.
    Romotschka stand schwankend da und reckte verzweifelt den Hals. Er verlor das Gleichgewicht und fiel flach auf den Bauch, als der Zug ruckelnd losfuhr, auf ein unglaubliches Tempo beschleunigte und dann bebend, ratternd und knirschend die Gleise entlangglitt. Er erhob sich auf alle viere, stemmte sich mit den offenen Handflächen auf den ruckenden Boden und weinte mit zusammengebissenen Zähnen. Eine Woge der Angst übermannte ihn, doch trotz des ganzen Quietschens, Zähneknirschens, Kreischens, Dröhnens, Ratterns und Klirrens zuckten plötzlich seine Ohren. Er hatte ein leises, ängstliches Winseln gehört. Nicht weit entfernt, unten am Boden. Weiße Schwester lag irgendwo weiter vorn flach auf dem Bauch.
    Er schlängelte sich gerade auf allen vieren zwischen den Beinen hindurch, als der Zug plötzlich scharf bremste. Romotschka musste innehalten, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Die Leute brüllten ihn an, aber als ein Dickicht aus Beinen aus dem Zug drängte und ein neuer Wald aus Menschen hereinmarschiert kam, lösten die Worte sich auf und gingen verloren. Irgendwo vor ihm winselte Weiße Schwester immer noch leise. Sie hatte sich nicht vom Fleck gerührt. Der Zug fuhr los, die Leute ringsum wichen zurück, und durch diese Gasse kroch er zu ihr. Ein weiterer Halt, ein weiteres Ausstiegsgedränge und eine noch größere hereinwogende Menschenmenge. Er wurde gegen die Leute gedrückt, die auf den Bänken saßen, und die Stehenden wankten und stießen im Gleichtakt aneinander, während der Zug hüpfte, schaukelte und über die unebenen Stellen der Gleise holperte.
    Der Wagen war jetzt so voll, dass die Leute ihm nicht entrinnen konnten. Er schlängelte sich verbissen zwischen den Knien hindurch, wurde beschimpft und getreten, und dann bremste der Zug, kam zum Stehen und schien noch voller zu werden. Romotschka weinte vor Anstrengung und wollte gerade um sich beißen, als er die Zunge vonWeiße Schwester im Gesicht spürte. Sie hatte sich hinter den Beinen, die sich direkt neben seinen Händen aufreihten, unter den Sitz gezwängt. Er streckte die Hand nach ihrem freudigen Gesicht aus und drückte sie an sich. Hoch über ihm ertönte ein freundliches Lachen; er fühlte sich etwas besser und beschloss, niemanden zu beißen.
    Romotschka schloss die Augen, drückte die Tränen heraus und wiegte sich schaukelnd und federnd mit Weiße Schwester, bis die Leute ihn rochen und den Wagen verließen, so dass er den Hund behutsam hervorziehen und in die Arme schließen konnte.
    Er wischte sich mit dem Ärmel über Nase und Augen und riss sich zusammen. Sobald er sich auf die rasende Geschwindigkeit des Zuges eingestellt hatte, stand er auf. Als der Zug wiederum heftig bremste und in die Helligkeit einer anderen Metrostation glitt, wäre er fast gestürzt, doch er war so eingezwängt, dass er bloß kurz das Dach der Station sehen konnte. Mit einem Arm umklammerte er eine silberne Stange und mit dem anderen den Körper von Weiße Schwester, damit sie, wenn die Leute plötzlich mit dem seltsamen Menschenstrom verschmolzen, der sie hereingespült hatte, nicht wieder zur Tür hinausgeschwemmt wurden. Alle setzten sich auf ihre Plätze, und er schloss die Augen und biss die Zähne zusammen, während der Zug Tempo aufnahm.
    Als er die Augen wieder aufschlug, sah er, dass der Wagen plötzlich von großen und kleinen Kindern nur so wimmelte. Es waren keine Kinder, die in Häusern lebten, sondern bomschi , Straßen- und Bandenkinder, und plötzlich war Romotschka hellwach und aufmerksam. Er schob sich zum ersten freien Platz, an dem man sich an einer Metallstange festhalten konnte, und blickte sich

Weitere Kostenlose Bücher